Buchrezension: Bücher über Goethe und Schiller

Ich bin schon lange ein „Goethe-Groupie“ und in letzter Zeit kam auch vermehrt Interesse an Schiller hinzu, dessen Lebens selbst schon Stoff für einen mitreissenden Roman abgäbe. Nach meinem Weimar-Besuch war ich dann wieder ganz im Lesefieber, habe Faust I mit neuem Vergnügen gelesen, mich an Faust II gewagt und über den Briefwechsel von Schiller und seiner Charlotte geseufzt – was konnte der Mann für Briefe schreiben! Nach Literatur von Goethe und Schiller ging es zur Literatur über Goethe und Schiller, manche Bücher neu entdeckt, manche mit Vergnügen erneut gelesen. Hier nun meine Meinungen zu einigen dieser Bücher.

Goethe – Kunstwerk des Lebens
Goethes Ehe
Behalte mich ja lieb! – Christianes und Goethes Ehebriefe
Goethe und Schiller: Geschichte einer Freundschaft
Goethe & Schiller Der Briefwechsel: Eine Auswahl
Schiller: Oder die Erfindung des deutschen Idealismus
Friedrich Schiller: Was macht den Mensch zum Menschen?
Das Leben des Friedrich Schiller – Eine Wanderung
Die Stunde der Räuber – Der Schiller-Roman
Schillers Doppelliebe: Die Lengefeld-Schwestern Caroline und Charlotte
Eine unerhörte Reise in die Goethezeit
Weimar – Literatur und Leben zur Zeit Goethes
Die Frauen um Goethe

Goethe – Kunstwerk des Lebens
Rüdiger Safranski

Einfühlsamer und interessanter Blick auf ein vielseitiges Genie

Wieder einmal hat Safranski es geschafft, mich mit einer Biographie in Bann zu ziehen. „Goethe – Kunstwerk des Lebens“ ist eine umfangreiche Goethebiographie, betrachtet Goethe von vielen Seiten. Der Schreibstil von Safranski ist wie immer angenehm zu lesen, an vielen Stellen fast so unterhaltsam wie ein Roman. Manche Sätze sind so herrlich formuliert, daß ich sie mehrfach gelesen habe. Er hält eine gute Balance aus eigenem Text und Zitaten, so daß diese die Stimmen von Goethe und seinen Zeitgenossen hervorragend in de Text integrieren und dadurch für ein noch runderes Bild sorgen, ohne daß zu lange Zitate den Text zu sehr unterbrechen (wie ich es in anderen Büchern schon erlebt habe).

Safranski berichtet über die Geschehnisse in Goethes Leben, aber auch, wie sie ihn beeinflußt haben, wie er dachte und empfand. Wir erleben Goethes Verwandlungen im Laufe seines langen Lebens mit, sehen die Lebenskrisen und auch die Selbstzweifel, die sogar einen Goethe nicht verschonen. Die Beziehungen zu Schwester, Mutter, dem Herzog, Anna Amalia, natürlich Schiller und anderen wichtigen Freunden sind gut dargestellt. Die Beziehung zu seinem Sohn kommt leider viel zu kurz, hier hätte es viel mehr zu berichten gegeben.

Ganz ohne Philosophiererei geht es bei Safranski nicht, aber die manchmal recht trockenen und theoretischen Ausflüge hielten sich hier – anders als bei seiner Schiller-Biographie – zum Glück in Grenzen. Die wichtigsten Werke Goethes werden vorgestellt, hier erfolgte wie auch in der Schiller-Biographie immer auch ein informativer Blick auf Lebensumstände und Gedanken Goethes zur Zeit des jeweiligen Werkes, was das Bild gut abrundet. Das Kapitel zu Faust bietet eine hervorragende Einführung auch gerade in die Komplexität von Faust II – für den Leser, der das Werk nicht kennt ist es informativ und nicht überfordernd; für den Leser, der mit Faust II vertraut ist, ist es immer noch eine gute Zusammenfassung mit interessanten Punkten.

Zum Ende hin kann Safranski sehr gut vermitteln, wie der alternde und immer wieder kränkelnde Goethe mit dem Verrinnen seiner Lebenszeit hadert, wie einsam es manchmal gewesen sein muß, nachdem die Weggefährten starben und Goethe merkte, daß seine große Zeit, die Freundschaft und das Arbeiten mit Schiller, für viele nur noch nicht besonders relevante Vergangenheit waren. Auch die Tatkraft dieses Goethe der letzten Lebensjahre kommt hervorragend rüber. Das letzte Kapitel, in dem Goethe sein Lebenswerk ordnet und zusammenstellt, die Plätze seiner Jugend besucht, ist unglaublich berührend.

Ein tiefgehendes, menschliches und anrührendes Werk ist Safranski hier gelungen.

Goethes Ehe
Wolfgang Frühwald

Anekdotischer Blick

Wie alle Bände der Insel-Bücherei ist auch dieser ganz herrlich ausgestattet, mit einem ansprechenden Einband und hochwertigem Papier. Die Insel-Bücherei ist eine Serie, die ästhetische Freude bringt.

Das kurze Büchlein liest sich rasch und angenehm. Wolfgang Frühwald beleuchtet verschiedene Aspekte der Beziehung von Goethe und Christiane Vulpius, berichtet im angenehmen Plauderton und baut zahlreiche zeitgenössische Zitate in seinen Text ein. Ein ausführliches Literatur- und Quellenverzeichnis runden das Buch ab.

Jedes Kapitel widmet sich einem anderen Aspekt, so behandelt eines Christianes Charakter, ein anderes den Hochzeitstag und seine Hintergründe, wieder ein anderes den Anfang der Beziehung, etc. Dies wirkte auf mich manchmal etwas ungeordnet und sprunghaft. Ohne Kenntnisse von Goethes Leben (die aber wahrscheinlich jeder an diesem Buch Interessierte ohnehin hat) wären manche Passagen schwer verständlich. Auch innerhalb der Kapitel schweift Frühwald manchmal ein wenig ab. Wenn man sich aber erst einmal an diese anekdotische Erzählweise gewöhnt hat, liest es sich alles unterhaltsam. Frühwald webt natürlich auch Goethes Leben und jeweilige Lebenssituation ein, betrachtet die geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergründe, rückt auch manches in den notwendigen Kontext.
An mehreren Stellen fehlte mir ein wenig die Objektivität, manche Kapitel lasen sich eher wie ein Vulpius-Plädoyer denn wie ein sachlicher Text.

Schön war es, viel Bekanntes gut erzählt zu lesen und auch einiges Neue erfahren zu können. Mehrere Gedichte/Gedichtauszüge lassen Goethe selbst über seine Gefühle für Christiane Vulpius sprechen; sehr passend ist es, daß der Autor ein solches Gedicht an das Ende des Buches stellt und so Goethe das letzte Wort haben läßt.

Aufgrund der Kürze des Buches bleibt es naturgemäß ein wenig an der Oberfläche, aber im Verhältnis zu eben dieser Kürze des Buches ist es doch sehr informationsreich und tiefgehend. Als erster Überblick über diese Beziehung oder als zusammenfassende Lektüre ist es ausgesprochen geeignet. Für die weitergehende Lektüre gibt es viele gute Hinweise.

Behalte mich ja lieb! – Christianes und Goethes Ehebriefe
Sigrid Damm (Auswahl und Nachwort)

Vor etwa einem Jahr las ich die Briefe, die Schiller und sein Verlobte, später Ehefrau, ausgetauscht haben. Ich war begeistert, bin tief eingetaucht in diese Welt des privaten Menschen Schiller, fand diesen persönlichen Blick wundervoll. Schiller war ein hinreissender Briefeschreiber und auch die Briefe von Charlotte von Lengefeld, spätere Schiller, sind lesenswert. Die Nähe der beiden zueinander strahlt aus jeder Zeile. In diesem Buch mit den Briefen von Goethe und Christiane Vulpius findet sich leider so gut wie nichts davon. Es hat mich aufgrund seiner gänzlichen Banalität regelrecht geärgert.

Sigrid Damm, bekannt durch mehrere Bücher über Goethe, Vulpius oder Schiller, hat für dieses Bändchen aus 601 Briefen eine Auswahl getroffen. Ein Vorwort, das über einige Hintergründe und die teilweise ganz eigene Wortwahl des Paares informiert, gibt es nicht. Erklärende Sätze zu den einzelnen Briefen gibt es ebenfalls nicht. So sind viele Dinge, die in den Briefen angesprochen werden, ohne ausführliches Hintergrundwissen unverständlich. Das macht die Lektüre oft ein wenig zum Rätselraten. Am Ende des Buches findet sich ein etwa 20seitiges Nachwort von Sigrid Damm, das aber so sonderlich informativ auch nicht ist. Es gibt rudimentäre biographische Informationen, ein paar allgemeine Fakten und sehr viel zu Christiane Vulpius. Hier, wie auch bei der Auswahl der Briefe, hatte ich öfter den Eindruck, daß Frau Damms Fokus sehr auf Christiane Vulpius lag. Von den 601 vorhandenen Briefen sind 354 Briefe von Goethe, 247 von Christiane Vulpius. Im Buch aber finden sich 46 Briefe der Vulpius und nur 34 Briefe Goethes. Die ausgewählten Briefe Goethes sind zudem fast überwiegend viel kürzer, so daß man den Großteil des Buches über Briefe von Christiane Vulpius liest. Eine seltsame Gewichtung, denn von wem möchte man wohl mehr Briefe lesen? Vom weltbekannten Dichter oder von der Frau, die man ausschließlich dadurch kennt, daß sie die Lebensgefährtin des weltbekannten Dichters war, selbst aber keinerlei literarische Ambitionen oder Talente hatte? Auch wenn Frau Damm uns in ihrem Nachwort versichert, wie „erstaunlich“ diese Briefe wären, wie „heiter, witzig und pointiert“ der Schreibstil sei – Christiane Vulpius‘ Briefe sind vor allem eins: langweilig.

Das kann man ihr nicht vorwerfen und, um es vorwegzunehmen: auch Goethes Briefe sind nicht sonderlich interessant. Beide schrieben nicht für die Öffentlichkeit, sondern privat aneinander und über Dinge, die sie beschäftigten; das waren wie bei den meisten Paaren irgendwann die Alltagsangelegenheiten. Reichts das für ein Buch? Es liest sich eben nicht interessant, wenn Christiane Vulpius in jedem Brief auflistet, was sie wo gekauft hat, wofür sie Geld braucht, mit wem sie geredet hat und was sich im Garten so tut. Was auch selten fehlt: Klagen darüber, daß Goethe nicht bei ihr ist, was sich anstrengend liest, aber immerhin ist das wenigstens mal einer der wenigen persönlichen Einblicke. Es scheint in den Briefen schon auf beiden Seiten eine starke Zuneigung durch, die aber häufig auch mit den immergleichen Formulierungen (Formeln) ausgedrückt wird. (Hier darf ich gar nicht an die so herrlich emotionsreichen Briefe von Schiller und seiner Lotte denken!). Was wir hier häufig lesen ist in der Art von: „Hier schicke ich Dir was Spargel. Und nun muß ich Wäsche aufhängen.“ Letztlich erfährt man so gut wie nichts über die Menschen hinter den Briefen, kaum etwas über die Lebensumstände, aber viel über Alltagsauflistungen.

Hinzu kommt, daß die Auswahl der Briefe etwas seltsam ist. Es gibt kaum Kontinuität, Der erste Brief ist vom 10. September 1792, der zweite vom 13. Mai 1793. Nach zwei weiteren Briefen sind wir plötzlich im Jahr 1795. So beziehen sich die meisten Briefe nicht aufeinander. Warum nun gerade die abgedruckten Briefe ausgewählt wurden, wird meistens nicht klar. Sie ähneln sich zu sehr, um an einem Brief etwas Besonderes zu finden. Im Nachwort finden sich keine Hinweise auf die Auswahlkriterien.

Und so liest man sich durch unzusammenhängende Briefe, ohne relevante Hintergrundinformationen, liest zu 80% über Waren, die hin und her geschickt werden, die Theaterbesuche und sonstigen Amüsements von Frau Vulpius, einige Allgemeinplätze von Goethe, dem gelegentlichen persönlichen Wort, und fragt sich am Ende: „Und wozu jetzt dieses Buch?“ Goethe ist einem nicht nähergekommen, von Christiane Vulpius erfuhr man das, was man ohnehin schon wusste. Über die Beziehung der beiden zueinander erfährt man letztlich zu wenig.

Positiv vermerken kann man die der Insel-Bücherei eigenen wunderschöne Ausstattung.

Goethe und Schiller: Geschichte einer Freundschaft
Rüdiger Safranski

Unterhaltsamer und informativer Einblick in eine einzigartige Freundschaft
Hier werden die beiden literarischen Genies ganz menschlich dargestellt. Informativ, fundiert und dabei unterhaltsam – so muss Sachbuch sein

Auch beim zweiten Lesen war dieses Buch wieder ein reines Vergnügen. Safranski beschreibt die Freundschaft zwischen Goethe und Schiller so lebendig und unterhaltsam, daß es sich wie ein Roman liest. Der Stil ist flüssig, untermalt mit zahlreichen Zitaten, die sich angenehm in den Text einfinden und diesen nicht unterbrechen (wie es bei anderen Sachbüchern leider manchmal vorkommt). Der Autor hält sich selbst angenehm zurück (dies fiel mir gerade im Gegensatz zu den kürzlich gelesenen Büchern „Schillers Doppelliebe“ und „Unser armer Schiller“ sehr erfreulich auf), läßt Goethe und Schiller aber durch ihre eigenen Aussagen und jene ihrer Zeitgenossen sehr lebendig werden.

Es wird gut beschrieben, aus welchen Motiven und Gedanken die beiden großen Dichter anfangs nicht angetan voneinander waren, wie sie sich annäherten, welche Wirkung dies auf ihr jeweiliges Werk hatte. Auf die zur Zeit der Freundschaft entstandenen Werke geht Safranski jeweils ein und liefert dadurch auch für das Verständnis dieser wertvolle Informationen und Einsichten. Es ist beeindruckend zu lesen, wie sehr sich Goethe und Schiller austauschten, welchen Gewinn – und welches Vergnügen – beide dadurch zogen, wie aber auch Mißerfolge erlebt wurden. Ihre sehr gegensätzlichen Charaktere und Weltsichten werden hervorragend ausgearbeitet und ermöglichen dadurch ebenfalls einen neuen Blick darauf, warum und wie sie vieles taten, sahen, schrieben. Diese Gegensätze führten zur anfänglichen Abneigung, wurden dann aber vorzüglich zum beiderseitigen Vorteil genutzt, was beide auch erkannt haben. Die philosophischen Erläuterungen waren mir manchmal, wie auch in Safranskis Goethebiographie, zu ausführlich, aber das liegt in meinem mangelnden Interesse an diesem Thema begründet.

Nun war diese Freundschaft aber kein reines Zweckbündnis, und auch das wird in diesem Buch sehr angenehm dargestellt – die kleinen gegenseitigen Gesten der Freundschaft, der Sympathie werden anschaulich geschildert und so erfährt man viel nicht nur über die Dichter Goethe und Schiller, sondern auch die Menschen Goethe und Schiller. Es ist eine anschauliche detaillierte Rundumbetrachtung der Freundschaft und der beiden Männer. Wenn Information und Unterhaltung so angenehm verbunden werden, ist es eine Freude, ein Buch zu lesen.

Goethe & Schiller Der Briefwechsel: Eine Auswahl
Rüdiger Safranski

Briefe wundervoll, Auswahl enttäuschend

Bei der Fülle an Briefen, die Goethe und Schiller ausgetauscht haben, schien es mir sinnvoll, ein Buch mit einer Auswahl zu lesen, und angesichts von Safranskis hervorragenden Büchern zu den beiden Dichterfürsten war ich sicher, daß er eine solche Auswahl hervorragend treffen würde.

Das Buch beginnt mit einer Einführung Safranskis, in der er die wichtigsten Aspekte und Entwicklungen dieser so einzigartigen Freundschaft darlegt. Wer bereits Bücher von Safranski gelesen hat, wird hier nicht viel Neues finden, für einen neuen Leser ist es aber eine gute Einführung. In seinem gewohnt angenehmen Stil nimmt Safranski auch Stellung zu der Frage, inwieweit diese Freundschaft denn nun wirklich Freundschaft, oder Zweckbündnis war. „Im Mittelpunkt stand die gemeinsame Sache der Literatur, aber von dort aus strahlte die Freundschaft auch auf das übrige Leben aus, wie der Briefwechsel zeigt, wo nicht nur die großen geistigen Themen erörtert wurden, sondern man sich auch das Alltägliche miteilte, Sorgen teilte und Zuspruch gab.“ Eine Meinung, die ich absolut teile. So machte mir die Einführung auch Hoffnung darauf, daß eben diese Seiten der Freundschaft sich auch in der Briefauswahl finden würden.

Diese Hoffnung wurde leider ein wenig zerstört. Was die „gemeinsame Sache der Literatur“ betrifft, hat Safranski viele Briefe oder Briefauszüge mit aufgenommen. Manchmal ist dies zu ausführlich geraden, insbesondere der Austausch zu Wilhelm Meister ist sehr detailliert. Dafür kommt dann der Austausch über Schillers Werke viel zu kurz. Fast gänzlich vernachlässigt ist in der Auswahl „das übrige Leben“, die persönliche Seite, und gerade diese hofft man doch bei einem Briefwechsel mehr zu sehen als in den bekannten Werken (zB die Briefe zwischen Schiller und seiner Frau haben mir einen ganz neuen intensiven Einblick in den Menschen Schiller gegeben). Wenn ich bei den hier auszugsweise wiedergegebenen Briefen den Auszug mit der vollständigen Version verglich, stellte ich oft fest, daß gerade die interessanteren persönlichen Stellen gekürzt worden waren. Auch hat Safranski seiner Schwäche für Philosophie wieder etwas zu sehr (für meinen Geschmack) nachgegeben. Philosophische Exkurse, die wir doch in den Veröffentlichungen der beiden häufig lesen können, sind hier mehr berücksichtigt als die menschlichen, alltäglichen Aspekte, die man eben sonst nicht zu lesen, zu erleben bekommt. Insofern fand ich die Auswahl oft wenig geglückt.

Zum Ende des Buches hin werden die Briefe dann leider auch immer weniger. Von 1794 – 1797 kann man Goethe und Schiller anhand der Briefauswahl recht gut durch die jeweiligen Jahre folgen und begleiten. Ab 1798 gibt es die ersten größeren Zeitsprünge, so daß die Briefe oft zusammenhanglos wirken. Ab 1800 sind dann nur noch sehr weniger Briefe mit großen Zeitsprüngen abgedruckt und man verliert den Zugang ziemlich. Sicher werden mit Schillers Übersiedlung nach Weimar 1799 die Briefe kürzer, alltäglicher, wie Safranski in seinem Vorwort auch erwähnt, aber wenn man nur noch 5 Briefe (von über 40 geschriebenen) aus dem Jahre 1801 zu lesen bekommt und ganze 3 (von über 50 geschriebenen!) aus dem Jahre 1803, dann fragt man sich schon, ob hier nicht zu stark ausgewählt wurde. Es gab aus diesen Jahren durchaus viel Lesenswertes in den Briefen. Ich wurde mit fortschreitendem Lesen immer ärgerlicher, wie viel uns hier vorenthalten wurde. Da hat man in einem Jahr eine kurze Bemerkung über Schillers „Maria Stuart“, dann kein Wort mehr, bis es dann in einer weiteren Nebenbemerkung in einem späteren Jahr plötzlich um die „Jungfrau von Orleans“ geht. Hier fehlt viel zu viel.

Auch was die Anmerkungen betrifft, wäre ab und an mehr besser gewesen. Generell finde ich es gut, daß Safranski die Briefe für sich selbst sprechen läßt und nur ab und an eine erklärende Fußnote einfügt. An manchen Stellen fehlte aber eine solche Erklärung, obwohl sie notwendig gewesen wäre.

Insofern ist mein Fazit, daß die Briefauswahl jedenfalls für meine Erwartungen nicht gelungen ist. Ich werde mir nun die kompletten Briefe als Buch kaufen.

Schiller: Oder die Erfindung des deutschen Idealismus
Rüdiger Safranski

Hervorragende Biographie, im zweiten Teil wäre mehr „Mensch“ schön gewesen

Wie immer war ich von Safranskis Schreibstl sehr angetan. Man ist in seine Bücher sofort „drin“, er schafft es, seine Biographien mit viel Leben zu füllen, die Personen regelrecht wieder auferstehen zu lassen. Auch Schiller wird hier sofort greifbar, teilweise liest sich dieses Buch wie ein spannender Roman (was Schillers Leben auch durchaus angemessen beschreibt). Gerade die schweren Jugendjahre, die Flucht, die schwierigen Anfänge, die emotionalen Höhen und Tiefen Schillers in dieser Zeit werden hervorragend beschrieben und dem Leser nahegebracht. Auch wenn man weiß, wie es weitergeht, fiebert man doch regelrecht mit diesem leidenschaftlichen jungen, vom Schicksal ungerecht behandelten, Schiller mit.

Auch wie immer fand ich Safranskis Neigung zu sehr ausführlichen philosophischen Exkursen etwas anstrengend und weit weniger packend. Das Thema liegt ihm am Herzen, es hat auch in Leben Schillers einen wichtigen Platz, aber hier wird es doch manchmal viel zu viel. Kapitel vier und fünf sind fast durchgängig philosophische Betrachtungen – mehr Schiller, weniger Philosophie wäre mir hier (und auch an recht vielen weiteren Stellen) lieber gewesen.

Schillers Werke werden gut vorgestellt, mit wichtigen Hintergründen, Gedanken und einer Beschreibung der Lebensumstände Schillers bei Schreiben des jeweiligen Werkes. Leider ist es auch hier manchmal des philosophisch-theoretischen Hingergrundes (für mich jedenfalls) zu viel.

Ein wenig überrascht war ich, wie wenig Raum Schillers Beziehung und Ehe zu/mit seiner Lolo in diesem Buch findet. Gerade im Vergleich zu der Beschreibung von Schillers Jugend, in der die Eltern, die Beziehung zu ihnen, der Freundeskreis – das Persönliche eben gut und detailliert beschrieben werden, fand ich es enttäuschend, daß in der zweiten Hälfte der Buches der Mensch Schiller hinter dem Werk Schiller(s) zurücktritt. Die Beziehung zu Lolo war ein wichtiger Teil seines Lebens, findet hier aber nur in Nebensätzen und kurzen Absätzen Beachtung – sogar, als es um seinen Todeskampf geht. Auch die Freundschaft zu Goethe wird knapp behandelt (aber dafür hat Safranski diesem Thema ein hervorragendes eigenes Buch gewidmet). Der im ersten Teil des Buches so lebhaft geschilderte Mensch Schiller verschwindet im zweiten Teil sehr, persönliche Entwicklungen werden im Vergleich zu den ausführlichen Betrachtungen seiner Werke sehr knapp und ein wenig lieblos abgehandelt.

Es ist aber im Ganze eine hervorragende Biographie, in Stil und Thematik sehr lesenswert und informativ.

Friedrich Schiller: Was macht den Mensch zum Menschen?
Manfred Mai

Manfred Mai legt hier eine ganz hervorragende Biographie Friedrich Schillers vor. Er kommt ohne die langatmigen philosophischen Exkurse Safranskis aus, bringt sich anders als Sigrid Damm nicht selbst ins Spiel und benötigt auch nicht die anti-Goethe-Polemik von Johanens Lehmann. Natürlich haben all diese Autoren auch gute, teils ausgezeichnete, Schillerbiographien verfaßt, aber so ein richtiges Rundumvergnügen ist für mich endlich einmal diese hier von Manfred Mai.

Das Buch ist übersichtlich gegliedert, mit mehreren, oft kolorierten Abbildungen, die mir teilweise neu waren. Mai schreibt farbig, konzentriert sich auf das Wesentliche. An einigen Stellen hätten ein paar Details mehr nicht geschadet, aber man bekommt hier auf knapp über 300 Seiten einen informativen Eindruck von Schiller, gut gewichtet zwischen Dichter und Mensch. Schiller kommt uns hier persönlich nahe, mit Stärken und auch Schwächen, es ergibt sich ein gutes, rundes Bild. Der angenehm lesbare Text Mais wird durch einige Textauszüge aus Briefen und Berichten ergänzt. Diese werden in für meinen Geschmack genau richtiger Menge eingesetzt.

Bei der Diskussion des Werkes Schillers konzentriert sich Mai ebenfalls auf das Wesentliche. Wer hier mehr Details benötigt, dem sei Safranskis Schiller-Biographie wärmstens empfohlen. Die Informationen hier im Buch sind ausreichend, fassen die relevanten Punkte recht gut zusammen, könnten an manchen Stellen ebenfalls ein wenig ausführlicher sein. Mai läßt hier oft Schillers Werke für sich selbst sprechen, es sind längere Auszüge aus den Theaterstücken enthalten, sowie einige der Balladen. Diese Auszüge sind an manchen Stellen etwas zu lang geraten, gerade die „Räuber“ nehmen hier 22 Seiten in Anspruch.

Sehr gelungen fand ich es, daß Mai von Schillers letzten Tagen und Stunden berichtet, hier auch mit einigen zeitgenössischen Zitaten, dann aber darauf hinweist, daß der Tod Schillers zwar von mehreren Augenzeugen beschrieben wurde, diese Berichte aber „sehr mit Vorsicht zu genießen“ sind, „weil da Beschönigungen und Verklärungen mit eingeflossen sein dürften.“ Da ich diese Berichte in anderen Büchern las, kann ich diesem Eindruck zur zustimmen. Mai verzichtet deshalb darauf, diese Berichte zu verwenden und schließt sein Buch, Schillers Leben mit den letzten Versen Schillers, „die nach seinem Tod auf dem Schreibtisch lagen“. Das ist ein würdevolles und passendes Ende.

So findet hier der Schiller-Neuling ein gut lesbares informatives Buch vor, aber auch Leser, die mit Schiller vertrauter sind und eventuell schon andere Biographien über ihn gelesen haben, finden hier eine unterhaltsame komprimierte Lektüre, die auch einige neue Perspektiven bietet. Insofern eine Empfehlung für jeden neuen oder erfahreneren Schillerbewunderer.

Das Leben des Friedrich Schiller – Eine Wanderung
Sigrid Damm

In „Das Leben des Friedrich Schiller“ entwirft Sigrid Damm ein sehr gründliches Bild Schillers, unterstützt durch zahlreiche, gelungen in den Text eingefügte Zeitzeugenzitate. Es gelingt nicht immer so gut, solche Zitate derart angenehm in den Text einzubauen, und obwohl dies die dritte oder vierte Schillerbiographie ist, die ich las, erfuhr ich doch noch neue Informationen. Hauptsächlich sind es die Worte von Schiller selbst, die wir hier lesen können, gut in den Kontext gesetzt, aber auch viele Weggefährten kommen zu Wort. Auf viele Aspekte, die in anderen Biographien nur am Rande (wenn überhaupt) vorkommen, geht Sigrid Damm angenehmer Ausführlichkeit ein. Die Beziehung Schillers zu seinen Eltern ist zum Beispiel in diesem Buch gut beleuchtet worden, auch über die Eltern selbst gibt es Hintergrundinformationen. Das, was mir in Safranskis Biographie oft gefehlt hat: der Mensch Schiller, findet sich hier auf sehr erfreuliche Weise. Die Persönlichkeit, das Wesen Schillers, sein Umgang mit seiner Vaterrolle, seine sehr direkte Art, die Mischung aus Empfindlichkeit und fehlender Diplomatie, all dies wird hier gut dargestellt, hilft, auch den Menschen hinter dem Werk kennenzulernen. Lediglich die Ehe kommt ein wenig zu kurz.

Schillers Werk selbst wird ebenfalls gut dargestellt, wenn auch manchmal ein wenig mehr Ausführlichkeit hier willkommen gewesen wäre. Interessant die spannungsreiche Beziehung zwischen Schiller und Herzog Carl August, die auch durch einige Zitate aus Briefen Carl Augusts gut illustriert wird. Normalerweise kommt der Herzog selbst in derlei Biographien kaum zu Wort, so wurde auch er hier für den Leser etwas anschaulicher.

Sigrid Damm schafft es sehr gut, dem Relevanten genug Raum zu geben und sich nicht zu sehr in Nebensächlichkeiten zu verlieren. Dadurch liest das Buch sich flüssig. Etwas störend fand ich, daß sie sich selbst immer wieder ins Spiel brachte. Am Anfang des Buches steht ein ausführlicher Bericht, wie sie früher zu Schiller stand, wie sich dem Werk und dem Menschen näherte. Auch später kommen immer wieder Einschübe über ihre Besuche an manchen Orten, ihre Gedanken bei diesem und jenem – ich finde es immer eher unangenehm, wenn ein Autor sich derart in den Vordergrund schiebt. Wenn ich eine Biographie über Schiller lese, dann, weil ich etwas über Schiller erfahren möchte. Wann und warum der Autor der Biographie Schiller für sich entdeckt hat, oder welche Gedanken beim Anblick des Grabes der Mutter aufkommen, ist für mich nicht relevant.
Der andere Kritikpunkt ist die – mir schon aus anderen Büchern bekannte – Vorliebe Sigrid Damms für unvollständige Sätze bei der Einleitung oder Zusammenfassung eines Themas (zB „Die Nachricht vom Tod der Schwester. Die Trauer der Eltern um den Verlust der Tochter. Elisabetha Dorotheas Angst um den Ehemann.“ oder „Schillers Vorliebe für Geschichte. Sein Interesse am Wallenstein-Stoff, den er bereits als Historiker bekundet hat.“). Gerade inmitten des ansonsten so angenehm lesbaren Stils fallen sie auf und sind zumeist ohnehin überflüssig.
Manche Absätze bestehen lediglich aus einer Aneinanderreihung von Fragen ohne Antworten. Auch dies finde ich überflüssig. An manchen Stellen können wir nur mutmaßen, das ist normal. Die Mutmaßungen müssen dem Leser aber nicht vorgekaut werden.

Erfreulich ist es, daß Sigrid Damm meistens die Zeitzeugen sprechen läßt und ihre Interpretationen den Leser nicht aufdiktiert (was die Autorinnen von „Schillers Doppelliebe“ leider nur zu gerne taten). Sie schildert zum Beispiel zwar ihre Eindrücke des Goethe-Schiller-Denkmals (welche sich von meinen grundlegend unterscheiden), maßt sich aber nicht an, die Freundschaft der beiden Dichterfürsten zu beurteilen oder kleinzureden. Sie läßt die beiden Freunde und andere Zeitzeugen zu Wort kommen. Das geschieht auch bei anderen Punkten und gefiel mir sehr gut (leider wurde diese Neutralität aber nicht durchgängig beibehalten).

So ist dieses Buch recht lebendig und erfreulich zu lesen, für mich eine hervorragende Ergänzung zu Safranskis Schillerbiographie, weil der Mensch und sein Umfeld hinter dem Werk hervortritt. Die oben genannten Eigenheiten der Autorin haben für mich an manchen Stellen das Lesevergnügen ein wenig beeinträchtigt, im Ganzen kann ich das Buch aber sehr empfehlen.

Die Stunde der Räuber – Der Schiller-Roman
Udo Weinbörner

In „Die Stunde der Räuber“ geht Udo Weinbörner das ambitionierte Projekt an, uns Schillers frühe Jahre in Romanform zu schildern. Ich kann vorweg schon sagen, daß das Projekt gelungen ist.

Wir lernen Schiller als Schuljungen kennen, kurz vor seinem erzwungenen Eintritt in die „militärische Pflanzschule“ Karlsschule des despotischen Herzogs Carl Eugen. Das Erste Kapitel wirkt ein wenig verwirrend, aufgrund der Vielfalt der Namen und des nur vage erklärte Geschehens, in das wir hineingeraten. Ich habe beim Lesen an manchen Stellen gedacht, daß das Buch ohne ein wenig Hintergrundwissen sicher öfter schwer zu verstehen ist. Auch während Schillers Zeit in der Karlsschule erfolgt plötzlich ein Zeitsprung von drei Jahren, der nicht erwähnt wird, so daß man sich über das nicht altersgemäße Verhalten von Schiller und seinen Schulkameraden ziemlich wundert, bis man sich allmählich aus Hinweisen den Zeitsprung zusammenreimt. Gerade am Anfang des Buches wären hier und da ein paar Hintergrundinformationen hilfreich gewesen. Wenn man sich aber erst einmal eingefunden hat, kann man eine ganz ausgezeichnet recherchierte und lebhaft erzählte Reise durch Schillers Jugend und frühe Erwachsenenjahre genießen.

Der Schreibstil ist überwiegend sehr angenehm, der Zeit angemessen. Vokabular und auch Dialoge sind historisch korrekt, die Beschreibungen des Umfelds, der Kleidung und zahlreiche weitere Details lassen das späte 18. Jahrhundert vor unseren Augen farbig aufleben. Ich konnte mich beim Lesen hervorragend in diese Zeit hineinversetzen und freute mich an diesem fundierten historischen Hintergrund, den ich in manchen historischen Romanen vermisse. Wie bereits erwähnt, ist die Recherche außergewöhnlich gut und genau (auch hier könnten sich manche anderen Autoren einen Beispiel nehmen). Manchmal wird die Erzählweise für meinen Geschmack ein wenig zu detailfreudig, ein paar wenige Szenen sind dafür etwas zu vage, an zwei Stellen gibt es fast wortgleiche Wiederholungen, aber allgemein liest sich das Buch erfreulich und konnte mich bannen.

Bemerkenswert ist auch, wie lebensecht die Charaktere gestaltet sind. Schiller ist hier der Mensch Schiller, mit alle seinen Stärken und Schwächen, mit den weniger sympathischen Seiten, dem hochemotionalen Wesen, dem unzerstörbaren Drang nach Freiheit. Genau so habe ich ihn mir vorgestellt, er ist meines Erachtens hervorragend getroffen. Aber auch seine Familie, seine Freunde und Kollegen, sowie weitere Menschen seines Umfelds gewinnen hier an Kontur, werden von aus Biographien bekannten Namen zu echten Menschen. Über den kurzen Auftritt meines verehrten Goethe habe ich mich natürlich sehr gefreut, und auch er ist in der kurzen Szene mit wenigen Worten hervorragend getroffen.

Besonders genossen habe ich die wundervoll geschilderten Szenen zwischen Schiller und seinen Freunden, zuerst im beklemmend-diktatorischen Umfeld der Schule, später in der Wildheit der zumindest teilweise erlangten Freiheit, dann bei der bemerkenswerten Unterstützung für Schiller in der Zeit seiner ersten Erfolge und Mißerfolge, die teilweise Hand in Hand gehen.

Auch Schillers Innerstes, seine Motivation, sein Leiden erfahren wir Leser unmittelbar und nachvollziehbar. Die Willkür des Herzogs, der sein Land ausblutete, um im Prunk zu leben, wird auf jeder Seite deutlich; das Leid, das seine Untertanen durch seine Macht- und Prachtgier durchleben mußten, wird uns schmerzlich bewußt, ebenso wie die Sprengkraft von Schillers Worten.

In diesem ohnehin erfreulichen Buch stechen dann einige Szenen durch ihre Intensität noch hervor. Schiller, der die erste Aufführung seiner Räuber erlebt – ich hatte das Gefühl, ich wäre dabei, so gut ist dies beschrieben. Der Besuch beim zehn Jahre lang eingekerkerten Dichter Schubart verströmt eine bemerkenswerte Mischung aus Gebrochenheit und Ungebrochenheit, aus Düsternis und Hoffnung.

Es hat Spaß gemacht, Schiller über diese Jahre hinweg zu begleiten, Udo Weinbörner hat Emotionen geweckt, Schiller lebendig gemacht, seine Welt für uns auferstehen lassen.

Schillers Doppelliebe: Die Lengefeld-Schwestern Caroline und Charlotte
Kirsten Jüngling & Brigitte Roßbeck

Informativ, aber von Stil und Gewichtung her nicht so überzeugend

„Schillers Doppelliebe“ enthält zweifellos eine Fülle an Informationen und man erfährt viel über die von Lengefeld-Schwestern, über die es sonst eher wenig Literatur gibt. Es wurden – worauf im Vorwort sehr explizit hingewiesen wird – sehr viele Quellen studiert und dies merkt man auch, vom reinen Informationsgehalt ist sehr viel vorhanden. Schade fand ich es allerdings, dass die Gewichtung der Informationen manchmal nicht meinen Erwartungen entsprach. Dass die Rezeptliste der Lengefeld-Mutter und das Hauhaltsinventar der Familie mehr Raum einnimmt als die Beschreibung von Schillers Tod, ist schon etwas seltsam. Auch ist eine ausführliche Auflistung von Bettlaken und Tischdecken nicht sonderlich aufschlussreich oder interessant zu lesen und wäre vielleicht in den Anmerkungen besser aufgehoben. Dies ist nur ein Beispiel von mehreren Momenten, in denen Nebensächlichkeiten sehr ausführlich behandelt wurden, während Themen, die für die Schiller-Charlotte-Beziehung relevant und interessant waren, in einem Nebensatz abgehandelt wurden. Überhaupt ist für ein Buch, welches sich sicher auch verkaufswirksam „Schillers Doppelliebe“ nennt, relativ wenig Schiller drin. Es wird im Vorwort schon erwähnt, dass es vorwiegend um die Schwestern geht, nicht um Schiller, und letztlich ist es auch eine Biographie der Schwestern, deren Leben nicht nur aus Schiller bestand. Trotzdem fand ich auch hier die Gewichtung manchmal etwas unausgeglichen, und die meisten werden eben vorwiegend wegen der Schiller-Beziehung Interesse an den Schwestern haben.

Die Erzählweise ist natürlich Geschmacksache, mir sagte es nicht sehr zu, dass die Autorinnen teilweise sehr subjektiv waren und auch häufig ihre kleinen tadelnden Kommentare mit Ausrufezeichen einstreuten, wenn ihnen ein berichtetes Verhalten nicht zusagte. Ferner liest sich das Buch an einigen Stellen nicht flüssig, es wird viel aneinandergestoppelt. Ich habe direkt danach noch einmal Safranskis wundervolles „Goethe und Schiller“ begonnen und den Unterschied gemerkt – jenes liest sich wie aus einem Guß und dadurch viel angenehmer (auch Safranskis Objektivität fällt nun besonders angenehm auf).

Weitere Punkte, die mir nicht unbedingt zusagten, waren die teilweise doch häufigen Spekulationen, die zwar nicht als bewiesen behauptet wurden, aber auch wieder sehr deutlich die Meinung der Autorinnen durchscheinen liessen. Die Sympathien und Antipathien waren mir ebenfalls zu spürbar. Auch blieb die Schiller-Charlotte Beziehung seltsam blass – hier habe ich aus anderen Büchern tatsächlich mehr erfahren. Unerfreulich fand ich, wie kurz Schillers Tod abgehandelt wurde, wie wenig über Charlottes Reaktion / Gefühlen darüber erwähnt wird, gerade eben im Vergleich zu den vielen detailliert behandelten Nebensächlichkeiten.

Interessant war es, mehr über das Leben von Charlotte und ihren Kindern nach dem Tod Schillers zu erfahren, und auch die allgemeinen Verhältnisse und die Gesellschaft in Weimar und Jena wurden sehr gut und informativ geschildert. Wie Schiller und Charlotte sich in diesen Kreisen jeweils einfügten – oder eben nicht einfügten – habe ich sonst noch nicht so detailliert und interessant gelesen.

Es ist sicher für jeden, der an Schiller und seiner Charlotte, am Jena und Weimar der Schiller-und-Goethe-Zeit interessiert ist, ein empfehlenswertes Buch. Nur haben die erwähnten Mankos für mich das Lesevergnügen doch sehr vermindert.

Eine unerhörte Reise in die Goethezeit
Andrea Schütte-Bubenik

Der etwas andere Blick auf die Goethezeit

In diesem Buch erfährt der Leser einiges über Themen, die sonst in Büchern über die Goethezeit nicht behandelt werden. Dies geschieht hauptsächlich durch Zitate aus Briefen, Tagebüchern oä der damaligen Personen im Umkreis Goethes, zwischendurch fügt die Autorin Hintergründe oder Erklärendes ein. Die Autorin selbst schreibt einen angenehm flotten Stil. Die Themen sind so vielfältig wie Blicke auf Ehe und Elternschaft, Krankheit, Alter, Tod, Aussehen, Theater, Religion oder Standesbewußtsein. Hinzu kommen einige Kurzbiographien über damalige Personen und einige Kapitel, die sich speziellen Beziehungen widmen, wie zB der Abneigung von Charlotte von Stein gegen Christiane Vulpius.

Dies liest sich teilweise sehr unterhaltsam und bietet auch jenen, die schon viel über die Zeit gelesen haben, neue Informationen und Einblicke in Menschen, die in gängigen Goethe- oder Schillerbiographien nur am Rande vorkommen. Der Inhalt bleibt sehr an der Oberfläche, dies ist sicher auch nicht anders gewollt, aufgrund so vieler Themen ist nur ein solch allgemeiner Überblick möglich. Trotzdem hätte ich mir an manchen Stellen noch einige erklärende Sätze oder Hintergrundinformationen gewünscht.

Was dagegen völlig überflüssig und schon ärgerlich war, waren die Namenslisten vor jedem Kapitel, in denen eben jeder aufgelistet wird, der in diesem Kapitel vorkommt. Da es aber im ganzen Buch hindurch ohnehin mehr oder weniger die gleichen Personen sind, ist der im Anhang gegebene Gesamtüberblick der Personen völlig ausreichend und die langen, sich wiederholenden Listen vor jedem Kapitel (insgesamt machen diese ca 30 Seiten des Buches aus) überflüssig. Es wirkt wie Seitenschinderei und der Platz hätte viel besser für mehr Kapitelinhalt verwendet werden können.

In den neun Kapiteln mit Kurzbiographien könnte man sicher darüber streiten, warum nun einige hier aufgenommen wurden, andere nicht. Goethe und Schiller in Kapiteln von 6 – 8 Seiten Länge abzuhandeln ist natürlich gar nicht möglich und deshalb wirken diese beiden Kapitel etwas unbefriedigend. Warum es zudem möglich war, Goethe eigenständig zu betrachten, Schiller aber fast nur im Zusammenhang seiner Freundschaft mit Goethe, verstehe ich auch nicht. Es gibt doch in Schillers Leben wirklich genug Eigenständiges.

So lesen sich die Kapitel alle recht unterschiedlich. Einige sind sehr unterhaltsam, lesen sich angenehm. Bei anderen findet eine Zitatparade mit nur wenigen verbindenen Sätzen der Autorin statt, so etwas liest sich für mich immer etwas zusammengestoppelt und ist nicht mein Geschmack – dies ist aber natürlich völlig subjektiv.

Lobenswert fand ich diesen frischen Blick auf die Zeit, die Tatsache, daß ich tatsächlich recht viel Neues erfahren habe und den Stil der Autorin. Das, was mir nicht zugesagt hat, habe ich schon beschrieben, ein weiterer Punkt ist aber auch, daß dieses etwas über 200 Seiten lange Buch (30 Seiten davon sind wie gesagt sich wiederholende Namenslisten) 19,80 Euro kostet, was für das Gebotene schlichtweg viel zu viel ist.

Weimar – Literatur und Leben zur Zeit Goethes
Norbert Oellers & Robert Steegers

Etwas trockener, summarischer Blick auf Weimar

Der Gedanke, die Geschichte jener knapp sechzig Jahre zu erzählen, in denen Weimar eine Hochburg der Kultur und der deutschen Geistesgrößen war, ist eine sehr gute. In diesem Buch wird in sechs Kapiteln jener Zeit zwischen 1775 (Goethes Ankunft in Weimar) und 1832 (Goethes Todesjahr) gedacht, das erste dieser Kapitel gibt eine (sehr trockene) Übersicht über Weimar vor 1775.
Die Aufmachung des Buches ist durchschnittlich. Ziemlich kleine Schrift, durchschnittliches Papier, einige Abbildungen. Es sticht nicht sonderlich heraus.

Hauptsächlich geht es im Buch neben Goethe und Schiller um Wieland und Herder. Andere Weimarer Persönlichkeiten wie der Herzog, seine Frau, seine Mutter, seine Maitresse, Johanna Schopenhauer, Charlotte von Stein, später Eckermann kommen auch immer wieder vor. Ein Überblick über die wesentlichen Weimarer Einwohner jener Zeit ist also gegeben.

Der Inhalt ist eine Mischung aus erzählerischem Text und zahlreichen Zitaten von Zeitgenossen. Hier ist eine Vielfalt an Leuten vertreten, die Zitate sind zahlreich und überwiegend gut gewählt und angenehm in den Text eingebunden. Der erzählerische Text wird auf angenehme Weise durch die direkten Ansichten der Menschen jener Zeit ergänzt. Es finden sich hier die mittlerweile etwas überbenutzten Zitate, ohne die kein Buch ohne Goethe anscheinend auskommen kann (warum auch immer): Schillers „stolze Prüde“, Johanna Schopenhauer Tasse Tee für Christiane Vulpius und Bettina Brentanos tollgewordene Blutwurst. Daneben gibt es aber auch viele Zitate, die mir neu waren und die ich oft sehr unterhaltsam fand.

Der Text des Buches hat mich dagegen weniger angesprochen. Größtenteils ist alles recht trocken erzählt, nur selten blitzt mal eine originellere Formulierung durch. Gestört hat mich, wie oft aufgezählt oder summiert wird. Von Wieland lesen wir im ganzen Buch fast nur Passagen in der Art von „Wieland arbeitete an x, dann noch an y und stellte z fertig“. Auch gerne genommen „Goethe reiste am soundsovielten nach x, kam dort am soundsovielten an, reiste drei Tage später nach y“. Das mag rein zur Informationsvermittlung geeignet sein, aber wer möchte denn ständig solche Auflistungen lesen und kann (möchte) sie sich merken? Auf der Werke der Autoren selbst wird so gut wie gar nicht eingegangen. Wir erfahren, wer was wann schrieb, das war’s. Manche Ereignisse, Hintergründe werden kurz angesprochen, aber nicht hinreichend erklärt. Mit Hintergrundwissen geht dies, aber der Leser ohne Hintergrundwissen wird öfter verwirrt sein.

Die Personen selbst sind mir auch relativ fremd geblieben. Dieses Buch hätte mich nicht neugierig auf Schiller, Herder oder Wieland gemacht, und auf Goethe wohl eher auch nicht. Die Fakten lassen nur sehr selten die Menschen hinter den Namen lebendig werden. Man erfährt ab und an etwas Persönliches, Herders Griesgrämigkeit und soziale Unverträglichkeit kommen gut heraus; den Eindruck, den Goethe auf andere machte (oder eben nicht) ist unterhaltsam, ein paar launige Fakten, wie Goethes Gedicht über außereheliche Impotenz, sind nett zu lesen, aber diese Dinge machen nur einen kleinen Teil des Buches aus. Größtenteils besteht das Buch aus trockenen biographischen Fakten, mit ein paar persönlicheren Einsprengseln. Sehr enttäuschend das Kapitel, das sich schwerpunktmäßig der Freundschaft zwischen Goethe und Schiller widmet. So uninspiriert las ich von dieser Freundschaft bisher noch nicht. Schillers Todeskampf, sein Tod werden nebenbei, ohne weitere Informationen (die nun wirklich zahlreich vorhanden sind) erwähnt. Goethes letzte Tage sind dagegen en detail berichtet. Allgemein ist Schiller etwas summarisch abgehandelt.

Es erschien mir ohnehin, daß die Autoren sich vielleicht mit der Fülle der Themen ein wenig verzettelt haben. Das letzte Kapitel widmet sich fast ausschließlich Goethe, weil seine Weggefährten zu dem Zeitpunkt fast alle verstorben waren. Hier wird es persönlicher, man spürt den Menschen Goethe, bekommt ein besseres Verständnis. Das Summarische ist kaum noch vorhanden, vielleicht, weil sich die Autoren hier auf eine Person konzentrieren konnten.

So schließe ich das Buch nicht sonderlich begeistert. Informationen gab es, aber sie wurden für meinen Geschmack nicht unterhaltsam oder ansprechend präsentiert, trotz der guten Idee mit den Zitaten. Es fehlte das Gefühl für die Großen von Weimar, für die Menschen hinter den Werken, es wurde zuviel aufgezählt, zu wenig erzählt.

Die Frauen um Goethe
Paul Kühn

Weimar zum Leben erweckt

Dieses Buch gibt es nur antiquarisch, aber es lohnt sich, denn es ist einer der besten Bücher, die ich je über Weimar gelesen habe. In „Die Frauen um Goethe“ entfaltet sich ein Panorama der Weimarer Gesellschaft zu Goethes Zeit, werden die Beziehungen, Zuneigungen und Ablehnung ganz hervorragend dargestellt und analysiert. Viele uns bekannte – und auch einige fast unbekannte – Namen erheben sich von den Buchseiten und erlangen durch die Worte Paul Kühns ganz neues Leben. Ich war zutiefst beeindruckt, wie der Autor das Weimar Goethes wieder aufstehen lassen konnte.

Er tut dies in einem sehr emotionalen, lebendigen Stil. Es ist ein gutes Stück Überemotionalität enthalten, an manchen Stellen recht viel Pathos und eine Überbenutzung von Adjektiven, aber man muß bedenken, daß das Buch 1910 geschrieben wurde und den Stil im Kontext seiner Zeit sehen. Das allein macht schon einen Teil der Lesefreude aus, denn so bekommt man nicht nur einen Blick ins goethische Weimar, sondern auch in die Seelenwelt des frühen 20. Jahrhunderts. Letztlich hat dieser emotionale Schreibstil dann trotz einiger heute unfreiwillig komischer Formulierungen das Buch und seine Personen mit wesentlich mehr Leben gefüllt, als es zB in Norbert Oellers etwas blutleerem „Weimar – Literatur und Leben zur Zeit Goethes“ oder dem teils schnippisch-drögen „Schillers Doppelliebe“ von Kirsten Jüngling und Brigitte Roßbeck gelang.

Der Hauptfokus des Buches liegt auf Goethes Verbindung zu Charlotte von Stein, die genauestens betrachtet wird und auch eine Art roter Faden für das Buch ist. Ganz hervorragend wird hier analysiert, was die beiden einander waren und was nicht, was zum Bruch und zur erneuten Annäherung führte. Das habe ich bisher noch in keinem Buch so fundiert und gut gelesen. Goethes Verbindung zu Christiane Vulpius wird ebenfalls detailliert erzählt und auch hier ist der scharfe Blick auf das Innenleben und die charakterlichen Eigenschaften sehr bemerkenswert.

Der Verbindung und Ehe zwischen Friedrich Schiller und Charlotte von Lengefeld ist ebenfalls ein längerer Abschnitt gewidmet, und selten las ich die Geschichte der beiden so lebensnah und packend (schon gar nicht im o.e. „Schillers Doppelliebe“). Kühn setzt hier vieles in den richtigen Kontext, erklärt die Kultur der Empfindsamkeit und überbordenden Gefühlsäußerungen sehr gut, entkräftet schon dadurch einige Gerüchte um Schiller und seine Schwägerin. Er geht tief in die Seele Schillers und erklärt diesen komplexen Menschen auch durch dessen Beziehungen zu Charlotte von Kalb und einigen anderen Frauen. Man erkennt hier wesentliche Zusammenhänge und findet sie ausgezeichnet erklärt.

Neben diesen „Hauptpersonen“ erfahren wir aber auch viel über die anderen Paare der Weimarer Zeit. Der Blick auf Herzog Carl Augusts Ehe und spätere Nebenehe ist so informativ, wie ich es bislang noch in keinem Buch las, wieder werden relevante Hintergründe erklärt, die vieles verständlicher machen. Zahlreiche weitere Ehepaare werden beschrieben, die teilweise recht turbulenten Entwicklungen unterhaltsam erzählt. Die vielen kleinen Erzählstränge fügen sich zu einem farbigen Tableau des Weimarer Lebens jener Zeit zusammen.

Unterstützt wird der unterhaltsame Text durch zahlreiche Zitate aus Briefen, Gedichten und anderen zeitgenössischen Dokumenten. Diese sind gut gewählt, einige sind bekannt, andere waren mir völlig neu. Wer das goethische Weimar wiederauferstehen lassen möchte, der sollte in einem Antiquariat nach diesem sehr gelungenen Buch suchen!

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