Die erste Lesung

Eine Lesung halten? Ich? Oh je!

Ich bin ehrlich – als ich kontaktiert wurde, ob ich eine Lesung machen möchte, war meine erste Reaktion eher erschrocken. Zwar spreche ich beruflich als Trainerin ständig vor Leuten, fühle mich damit wohl und habe gute Erfahrungen gemacht, aber es ist noch etwas ganz anderes, das eigene Werk vorzulesen. Aber wie sollen potentielle Leser von meinen Büchern erfahren, wenn ich ihnen darüber nichts erzähle und wie dämlich wäre es, eine solche Möglichkeit einfach sausen zu lassen? Ähnliche Gedanken wie vor meiner ersten Leserunde bei Lovelybooks also, diesmal habe ich aber immerhin die positiven Rückmeldungen der Leserunde und einige sehr gute Rezensionen im Rücken. Zudem ist es schön, dass eine Leserin so angetan von den Büchern ist, dass sie die Lesung möglich machen kann und möchte. Also – auch wieder ähnlich wie bei der Leserunde – schnell zugesagt, bevor das Pessimismuszentrum im Gehirn zuschlägt.

Die Vorbereitung

Schon die Vorbesprechung der Lesung in der KÖB Düsseldorf-Oberkassel verlief sehr angenehm. Es ist eine kleine ansprechende Bibliothek und ich fühlte mich dort sofort wohl. Gudrun, die Bibliothekarin, die eine Teilnehmerin meiner Leserunde war, äußerte sich erst etwas besorgt, dass es mir zu klein wäre, aber mir war dies ganz lieb so. Die allererste Lesung meines Lebens sollte ruhig im gemütlichen Rahmen stattfinden, auch war ich mir gar nicht sicher, ob viele Leute zur Lesung einer unbekannten Autorin kommen würden. So war also alles geregelt und ich konnte mich der Vorbereitung widmen. Vom Plakat, welches Gudrun mir zuschickte, war ich sofort angetan!

Schnell war mir bewusst, ich wollte auch ein wenig Rahmenprogramm bieten. Nachdem die beiden Bücher der Schönau-Saga in Leipzig spielen, eine Stadt, die mir sehr wichtig ist, und die ich bei der Buchrecherche auch von ihrer wunderschönen Vorkriegsseite kennengelernt hatte, wollte ich dem Publikum nahebringen, an welchen Schauplätzen sich die Geschichte der Schönaus abspielt. Bilder des alten Leipzigs gibt es gemeinfrei, so dass es auch hier keine Probleme gab, und so würde ich also zu den ausgesuchten Szenen die passenden Bilder per Beamer zeigen.

Die Szenenauswahl

Das führte direkt zu dem Thema, welches wohl für jeden Autoren bei einer Lesung zentral ist: welche Szenen sollen gelesen werden? Eine Stunde reine Lesungszeit würde ich zur Verfügung haben, in vier Abschnitten zu je 15 Minuten. Interessant sollen die Szenen sein, neugierig machen, nicht durch zu viele Charaktere verwirren, nichts Relevantes vorab verraten. Bei einer Familiensaga, die sich über mehr als vierzig Jahre erstreckt, ist das keine leichte Aufgabe. Schnell war klar, die Hauptperson, Charlotte (Lotte) Schönau, sollte durch ihr Leben begleitet werden. Viel macht sie im Buch durch, geboren in noch recht idyllischen Zeiten im Kaiserreich, bricht bald schon die Weltgeschichte über sie herein. Und so schälten sich passend zu den vier Leseabschnitten auch schnell die vier wichtigen Epochen ihrer ersten Lebenshälfte heraus: Kaiserreich und Erster Weltkrieg, Weimarer Republik und erste dunkle Schatten sowohl im privaten wie auch im politischen Leben, Nazizeit, die Schrecken der Kriegsjahre. Auch die Nachkriegszeit hält leider für Lotte noch viel Entsetzliches parat, aber dort lassen sich keine Szenen auswählen, die nicht schon wichtige Entwicklungen verraten.

Natürlich waren die zuerst ausgesuchten Szenen in ihrer Gesamtheit zu lang. Dies ergab ein Probevorlesen im heimischen Wohnzimmer. Publikum: meine zwei Katzen. Ich gebe es zu: ich kam mir ziemlich dämlich vor, mir selbst etwas vorzulesen. Ganz leise fing ich an. Die Katzen schauten irritiert hoch, starrten mich dann an, die eine Katze stand sogar von ihrem gemütlichen Schaukelstuhl auf und setzte sich direkt vor mich, fixierte mich regelrecht. Also hat erst mal ein Lachkrampf meinerseits die Probe unterbrochen, zu skurril war dieses Bild. Aber man gewöhnt sich an alles und im Laufe des Lesens wurde meine Stimme immer kräftiger, die Intonation spielerischer. Kurz: es machte Spaß! Richtigen Spaß. Gut, ohne Publikum fällt vieles leichter… Den Gedanken, vor einem richtigen Publikum zu lesen, schob ich erst einmal weg. Und so entwickelte sich die Szenenauswahl nach und nach. Einige Szenenbestandteile kürzte ich, probte verschiedene Versionen, fand heraus, welche Szenen am besten zusammenpassten. Auch bei den Nebencharakteren ergab sich schließlich eine gewisse Kontinuität, so dass die Zuhörer sich nicht ständig an neue Personen gewöhnen mussten. Einer meiner persönlichen Lieblingscharaktere, die gute Seele des Hauses Mathilde, war in den Szenen häufig vertreten und würde durch ihren kräftigen Dialekt gleich noch mehr Lokalkolorit hineinbringen. Ihr recht deftiges Thüringisch vorzulesen, bereitete mir besonderes Vergnügen (den Zuhörern bei der Lesung später ebenfalls).

Die passenden Bilder auszusuchen, war gewissermaßen das Sahnehäubchen auf der Vorbereitung. Die traumhaft schöne alte Innenstadt würden die Lesungsbesucher sehen, den idyllischen Strand von Ahlbeck (richtig, nicht in Leipzig 😉 ), die atemberaubende Pracht der alten Universitätsgebäude, die Gemütlichkeit des damaligen Universitätshofes, ebenso wie die majestätische Synagoge in der Gottschedstraße, die vom braunen Mob am 9. November 1938 angezündet wurde. Es sollte nicht nur eine Reise durch Lottes Leben werden, sondern auch eine durch Leipzigs Geschichte.

Der Lesungstag

Und so ging es am 18. November auf nach Düsseldorf. Ich war auf der Zugfahrt unglaublich nervös. Einem Pessimisten fallen stets reichlich Katastrophenszenarios ein. Meine gute Freundin Sabine, die ebenfalls die Lesung besuchen würde, lenkte mich in einem Nachrichtenaustausch schon ein wenig ab und als ich schließlich die Bibliothek betrat, waren Nervosität und Vorfreude in einem guten Mischverhältnis.

Gudrun und ihre Kolleginnen hatten schon alles liebevoll hergerichtet. Besser kann man als Autor gar nicht betreut werden. Sehr viele Stühle waren aufgebaut…hoffentlich würde der Großteil davon nicht leer bleiben. Ein Tisch mit Kaffee und Gebäck würde für das leibliche Wohl sorgen – und was für Gebäck! Im ersten Buch, „Bürgerin aller Zeiten“, kommen häufiger die Leipziger Lerchen vor, denen ich selbst regelrecht verfallen bin, ein Mürbeteiggebäck mit Marzipanfüllung. Und diese gab es nun tatsächlich hier, und zwar in zeitaufwendiger Arbeit von Gudrun selbst gebacken. Gleich vorweg: sie sind hervorragend gelungen. Meine extra aus Leipzig mitgebrachten Leipziger Kugeln ergänzten die Leipziger Ausrichtung noch ein wenig.

Die Besucher kamen fast alle gleichzeitig. Alle sehr freundlich und auch positiv gestimmt. Besonders erfreulich war es, neben Gudrun auch Sabine als bekanntes Gesicht zu sehen.

Eine weitere Autorin war ebenfalls anwesend: Gudruns Tochter, die Mitautorin des hervorragenden Buches über das Leben von Werner Pfingst ist – der nach ihm benannte Platz ist gleich um die Ecke der Bibliothek.

Die optimistische Anzahl an Stühlen war zu Beginn der Lesung vollständig besetzt. Also gab es kein Zurück. Nervös? Ja, das war ich! Waren die Szenen richtig ausgewählt? Würde die Thematik interessant sein? Würde ich nicht zu schnell lesen?

Lesung1Zuerst die einleitenden Bemerkungen. Ich berichtete, inwieweit die Schönau-Saga von meiner eigenen Familiengeschichte inspiriert war, wie meine besondere Beziehung zu Leipzig ist, gab ein paar weitere Hintergrundinformationen und einen Überblick dessen, was die Zuhörer erwartete. Dann tauchten wir gemeinsam in die Geschichte ein, begleiteten Lotte durch ihre sorglose Kleinkindzeit und den Hungerwinter 1916/17. Niemand ging, niemand schlief ein ;-). Also los in Lottes Studentenzeit Anfang der 1930er, das fröhliche Studentenleben, während dem die Schatten der Weltwirtschaftskrise und drohenden Arbeitslosigkeit aber nur zeitweise weggeschoben werden konnten. Die schwarzen Wolken der Nazizeit sammeln sich am Himmel, aber zuerst schlägt Lottes ganz persönliche Tragödie zu.

In der Pause war die Kommunikation rege, die Rückmeldungen positiv und einige Besucher berichteten von ihren Reisen nach Leipzig und ihren Eindrücken der bisherigen Szenen. Diese Interaktion machte Spaß und die Lerchen waren köstlich. Wie schon in der Leserunde war es dieser direkte Kontakt mit Lesern, bzw. Zuhörern, der solche Ereignisse zu etwas Besonderem machte. Mit frischem Mut ging es also in den zweiten Teil.

Ich warnte vor, dass düstere Szenen folgen würden und dass man sich von den Büchern Lesung2kein Happy End erwarten darf (ich weiß aus dem eigenen Familienkreis, wie wichtig dies manchen Lesern ist). Die Geschichte ist realistisch und die Geschehnisse und ihre Auswirkungen auf meine Protagonisten werden sich nicht in Wohlgefallen auflösen. Ein wenig hatte ich ein schlechtes Gewissen, diesen gemütlichen Sonntagnachmittag mit solch düsteren Geschehnissen zu beschweren, aber es hören alle weiterhin interessiert zu und es folgt sogar eine kleine Diskussion zu den Ereignissen von 1938. Die letzte Szene, die ich vorlas, beschreibt den verheerenden Luftangriff auf Leipzig am 4. Dezember 1943. Nach der Lesung erzählte mir ein Gast von seinen Erinnerungen aus dem Luftschutzkeller, er war damals vier Jahre alt und hatte diese traumatischen Erlebnisse noch in genauer Erinnerung. Er fand meine Szene sehr wirklichkeitstreu, was natürlich ein großes Lob ist.

Fazit

Und dann war es schon vorbei. So lange vorbereitet, so viele Gedanken gemacht und dann ging es so schnell. Es war eine erfreuliche, bereichernde Erfahrung. Alles hat funktioniert, Bilder und Szenen sind gut angekommen, die Unterhaltungen mit den Gästen waren interessant. Gudrun schrieb mir nachher noch in einer Email, dass die Szenen definitiv Neugier geweckt haben, sie wurde gleich gefragt, wie es nun weitergegangen sei. Ich hoffe, sie hat auf die Bücher verwiesen 😉 und nicht, wie es heutzutage heißt, „gespoilert“. Verkauft wurden auch einige Bücher, von mir mit Freude signiert. Spaß hat es alles gemacht! Passenderweise kam gleich am nächsten Tag eine Lesungsanfrage aus Leipzig. Dank der positiven ersten Lesungserfahrung konnte ich dort ohne weitere Überlegung zustimmen. So beängstigend der Gedanke zu Anfang war, so froh bin ich nun, dies gewagt zu haben. An die KÖB herzlichen Dank für die exzellente Betreuung!

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