Buchempfehlung: Prairie Fires

Viele von uns kennen sicher die etwas süßliche Serie „Unsere kleine Farm“. Ich habe sie damals als Wiederholung gesehen, zu meiner Zeit war sie schon etwas angestaubt (die Serie wurde von 1974-83 produziert). Viele Episoden habe ich nicht gesehen, aber die Geschichte von Laura Ingalls, der sanften „Ma“ und dem für die Welt zu guten „Pa“, der fiesen Nellie und dem Prairieleben, die kannte ich hinreichend.

In „Prairie Fires“ (nur auf Englisch erhältlich) erzählt Caroline Fraser nun die wahre Geschichte und entfaltet auf über 500 Seiten eine reichhaltiges farbenfrohes Panorama nicht nur von Lauras Leben, sondern auch des sich über die Jahrzehnte ändernden Amerikas. Sie verwebt die Einzelschicksale der Ingalls mit der Landesgeschichte und auch wer mit „Unsere kleine Farm“ nichts anfangen kann, wird hier auf lesenswerte Weise viel über die amerikanische Geschichte und die davon berührten Menschen erfahren.

Caroline Fraser geht ein ganzes Stück zurück vor Lauras Geburt. Bis hin zur Mayflower geht ein kleiner Rückblick über die Herkunft der Familie Ingalls, bevor sie sich detailliert dem Leben von Lauras Eltern, Caroline and Charles, widmet. Dies wird begleitet durch ebenso detaillierte Beschreibungen der geschichtlichen Situation, mit guten Erklärungen, wie und warum sich manches zugetragen hat. Charles und Caroline Ingalls kommen aus sogenannten Pionierfamilien, ihre Eltern sind bereits westwärts gezogen, um ihr Glück zu finden, Farmen aufzubauen. Daß diese Westexpansion auf grausame Weise auf Kosten der Ureinwohner geschah, ist bekannt, die Autorin zeigt hier viele Hintergründe und Zusammenhänge auf. Diese Schilderungen sind oft sehr berührend und erzürnend. Auch Charles Ingalls, der an sich ein freundlicher, hilfsbereiter Mann war, der von seiner Familie geliebt wurde, hatte kein Problem damit, sich illegal auf dem Land von Ureinwohnern einzunisten, während diese auf der Jagd waren, um so zu Grund und Boden zu bekommen. Ein Verfahren, daß von der Regierung ermutigt wurde. Es gibt hier einige Momente, die das moralische Verständnis berühren.

Ebenso lebhaft und farbig ist das harsche Leben der sogenannten „Homesteader“ geschildert. All das, was Laura Ingalls Wilder in ihren pittoresken Geschichten ausließ, erfahren wir hier. Ernten, die Jahr für Jahr vernichtet werden – durch Heuschreckenschwärme, Stürme, Hagel…die Liste ist lang und ich habe beim Lesen einige Male den Atem angehalten. Knochenarbeit wird jahrelang immer wieder vernichtet, Menschen verhungern, leiden und die Regierung zuckt mit den Schultern, der damalige Präsident Cleveland verkündet: „The lesson should be constantly enforced that, though the people support the Government, the Government should not support the people.“ (Ja, auch vor dem heutigen „racist and con man“ an der Spitze der amerikanischen Regierung gab es schon menschenverachtende Präsidenten). Hunger und bittere Not gehörten zum Alltag, vom amerikanischen Traum war nichts zu spüren. Caroline Fraser erklärt auch gut, warum die meisten Farmer von vornherein gar keine Chance hatten, der amerikanischer Traum aber trotzdem propagandatistisch falsch dargestellt wurde.

Durch die Verbindung mit den individuellen Schicksalen der Ingalls erlangt diese geschichtliche Phase der „Frontier“-Zeit eine ganz neue Eindringlichkeit. Man spürt das Leid, die Verzweiflung, und auch das Durchhaltevermögen. Immer wieder geben die Ingalls Farmen auf, ziehen Hunderte von Kilometern weit weg, um ihr Glück neu zu versuchen, scheitern wieder, ziehen weiter. Es ist unglaublich, wie oft und weit die Siedler umhergezogen sind, wie oft sie wieder von vorne angefangen haben. Es erklärt viel über die heutige amerikanische Kultur. Am Ende eines harten arbeitsamen Lebens kann Charles Ingalls materiell auf wenig zurückblicken, sein Tod stürzt seine Frau in Not. Auch dies ein Damoklesschwert dieser Jahre: eine Krankheit, der Tod eines arbeitenden Familienmitgliedes…der Absturz ins Nichts geschieht schnell.
Laura geht es nach ihrer Heirat nicht anders. Dreissig Jahre nach ihren Eltern folgen wir ihr auf einem sehr ähnlichen Lebensweg, der sie bis nach Florida führt und bei dem ein gescheiterter Versuch den nächsten ablöst, ein Schicksalsschlag nach dem anderen das Geschaffene zerstört. Caroline Fraser berichtet dies so spannend wie einen Roman und doch erinnern ihre sorgfältig recherchierten historischen Einschübe daran, daß dies alles so geschehen ist. Sie erklärt auch die Zusammenhänge zwischen Natur-/Wetterkatastrophen und der Nutzung/Rodung so großer Flächen Land im Laufe der Eroberung des Westens. Es ist unglaublich, welche katastrophalen weltweiten Folgen dies hatte.

Nachdem das erste Drittel des Buches also eine mehr als gelungene Mischung von Geschichte und menschlichem Schicksal bietet, wird es leider danach etwas zäh. Der Fokus wechselt von Laura auf ihre Tochter Rose und kehrt nur ab und an zu Laura zurück. Dies ist teilweise interessant, weil Roses Lebensweg für die Zeit ungewöhnlich ist und wir so auch dort einen Einblick bekommen. Allerdings wiederholt sich hier viel und die Autorin macht sich nicht die Mühe, ihre starke Ablehnung für Rose zu verbergen. Diese Ablehnung ist nachvollziehbar, aber von einem Sachbuchautor erwarte ich mehr Objektivität. Auch sind zu viele irrelevante Details ausführlich geschildert.

Im letzten Drittel habe ich angefangen, Passagen zu überschlagen oder überfliegen. Der Entstehungsprozeß von Laura Ingalls Wilders Büchern wird sehr detailliert berichtet, die Inhalte nacherzählt, ebenso wie die Kurzgeschichten, die Lauras Tochter Rose schrieb. Dies ist ermüdend zu lesen und alles viel zu langwierig. Auch die Geschichte und Politik werden abstrakter, berühren das Leben weniger und so sind die Abhandlungen dazu nicht mehr wirklich packend. Zu viele unwichtige Alltagsdetails werden auch hier langwierig berichtet. Es ist erstaunlich, daß die aufregende Lebensphase von Laura und ihren Eltern nur etwas mehr als ein Drittel des Buches einnimmt, die wesentlich ruhigere Phase dann die beiden anderen Drittel. Hier wäre weniger wesentlich mehr gewesen.

Trotzdem ist es ein lesenswertes Buch, inbesondere jenes erste Drittel, in dem Geschichte so wundervoll lebendig wird.

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