Das historische Frankfurt, Teil 3

Das Fischerfeldviertel

Wer alte Stadtpläne Frankfurts betrachtet, wird sehen, dass man östlich des Domes schon fast an der Stadtgrenze war. Direkt vor den Stadtmauern befand sich das Fischerfeld, eine sumpfige, regelmäßig überflutete Gegend, in der – wie der Name schon verrät – Fischer und auch Gerber siedelten und die später sowohl als Grünfläche zu Spaziergängen wie auch zu militärischen Zwecken genutzt wurde. Während der napoleonischen Besetzung der Stadt wurden im Herbst 1810 dort von französischen Soldaten die Waren verbrannt, die man in Frankfurt konfisziert hatte. Die Frankfurter nutzten die von Napoleon verhängte Kontinentalsperre nämlich für eifrigen – und profitablen – Handel mit eingeschmuggelten Waren. Wie so oft in ihrer Geschichte erwiesen die Frankfurter sich sowohl beim Einschmuggeln wie auch beim Verstecken dieser Waren als äußerst findig, so wurde z.B. Kaffee von Straßenjungen unter ihrer Kleidung in die Stadt gebracht, das weitverzweigte Katakombennetz unter den Häusern der Altstadt diente als Warenversteck und bei Untersuchungen vorgefundener Waren fanden sich gut entlohnte Sachverständige, die aussagten, dass es sich mitnichten um geschmuggelte Güter, sondern um welche aus der neutralen Schweiz handele. Die französischen Soldaten setzten schließlich ein Zeichen und bauten das, was sie trotz aller Winkelzüge konfisziert hatten, in einem riesigen Haufen auf dem Fischerfeld auf. In „Der Freiheit Kraft“ schildere ich dies genauer:

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Das historische Frankfurt, Teil 2

Der Römerberg

Ansicht des Römerbergs mit der Nicolaikirche zu Frankfurt a.M., 1823, Friedrich Wilhelm Delkeskamp, Public Domain

Teil 1 unserer historischen Wanderung durch Frankfurt hat uns bis zur Paulskirche geführt. Von ihr ist es nicht weit zu Frankfurts wohl berühmtesten Platz: dem Römerberg. Er ziert fast jeden Artikel, fast jeden Bucheinband über Frankfurt, was genau der Grund ist, aus dem er auf den Wallenfels-Einbänden nicht zu sehen ist. Frankfurt ist so viel mehr als der Römerberg. Allerdings sind er und der Römer selbst sicher eine der charakteristischsten Ansichten der Stadt. Doch was ist der Römer eigentlich? Das aus drei miteinander harmonierenden Häusern bestehende Ensemble ist schon seit sechshundert Jahren das Rathaus der Stadt Frankfurt und der Schauplatz zahlreicher historischer Ereignisse. Die Kaiserkrönungen wurden hier gefeiert, wichtige Gäste zeigen sich auch heute hier auf dem Balkon der Menge, die für Frankfurt demütigende Annexion der Stadt durch Preußen wurde hier 1866 – vor einem denkbar unbeeindruckten Publikum – verkündet, wie ich in Der Wahrheit Flamme beschrieb:

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Das historische Frankfurt, Teil 1

Als ich anfing, Frankfurt für die Wallenfels-Trilogie zu recherchieren, habe ich mich schon darauf gefreut, die mir eigentlich gut bekannte Stadt nun ganz neu kennenzulernen. Ich hatte es bereits bei der Recherche für die Schönau-Dilogie erlebt – das mir liebgewordene Leipzig erstand in ganz neuer Weise vor mir auf, seitdem kann ich durch keine Straße dort mehr gehen, ohne nicht das alte Leipzig vor meinen Augen auferstehen zu sehen. An vielen Orten ist dieses alte Leipzig ohnehin noch sichtbar. Dies gestaltet sich bei Frankfurt schon schwieriger – hier findet man nur punktuell Orte, die an die alte Stadt erinnern.

Sowohl Leipzig wie auch Frankfurt sind im Zweiten Weltkrieg stark bombardiert und zerstört worden (zu Leipzig war mir der ausgezeichnete und beklemmende Bildband „Leipzig brennt“ bei der Recherche des in „Des Lebens labyrinthisch irrer Lauf“ ausführlich geschilderten verheerendsten Angriffs vom 4. Dezember 1943 eine große Hilfe und ist empfehlenswert).
Das älteste Fachwerkhaus Frankfurts, das sehenswerte Haus Wertheim beim Römerplatz, überstand als einziges Fachwerkhaus den Luftangriff am 22. März 1944 nur deshalb, weil die Feuerwehr die Gasse vom Römerberg zum Main als Fluchtweg mit einem Wasserschleier versah. Die Bewohner der Altstadt konnten durch ihre Gewölbekeller, die 1940 durch Durchgänge miteinander verbunden worden waren, bis zum Notausgang auf dem Römerplatz und durch die Gasse weiter zum Main flüchten. Dieser Wasserschleier rettete somit das Haus Wertheim davor, wie der Großteil der Stadt im Flammeninferno verschlungen zu werden. Im Historischen Museum sah ich einmal ein Modell, welches die Stadt vor und nach dem Angriff zeigt. Ich weiß noch, wie beklommen ich damals davorstand. Ein Ausschnitt findet sich hier.

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Kronberg im Taunus – Kulinarik

Kronberg (in seiner damaligen Schreibweise „Cronberg“) zieht sich durch alle drei Bücher meiner Frankfurter Wallenfels-Trilogie und das liegt schlichtweg daran, daß dieses Städtchen mir ganz persönlich am Herzen liegt und ich darüber schreiben, ihm eine Rolle in den Büchern geben wollte. Da (u.a.) Frankfurter Maler das idyllisch gelegene Cronberg im 19. Jahrhundert für sich entdeckten und es mit der Zugverbindung nach Frankfurt auch die Frankfurter zunehmend anzog, boten sich zudem genügend Gelegenheiten, Cronberg für die Familie Wallenfels von zunehmender Bedeutung werden zu lassen. Am Ende der Trilogie ist es von der allertiefsten Bedeutung – Zuflucht und Heimat.

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Wie Frankfurts Bürger bauliche Schmuckstücke ermöglichten

Frankfurt am Main verfügt über zahlreiche beindruckende Bauwerke aus dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts. Vor dem zweiten Weltkrieg entstandene Bilder zeigen, wie prächtig die Stadt insgesamt war. Dort, wo sich z.B. heute rund um die Hauptwache hässliche, gesichtslose Bauten erheben, bot sich vor dem Krieg ein harmonisches, ästhetisches Gesamtbild. Am Opernplatz bekommt man zum Glück auch heute noch eine Ahnung, wie Frankfurt einst aussah. Die Alte Oper selbst ist für mich eines der schönsten Gebäude überhaupt und entschieden mein Lieblingsgebäude in Frankfurt. Ich kann oft davor stehen und den Anblick genießen. Als ich noch nicht lange in Frankfurt wohnte und mir eine Freundin erzählte, daß dieses architektonische Prachtstück erst seit den 1980ern wieder in seiner Schönheit erstrahlt und davor jahrzehntelang Ruine war, konnte ich es kaum glauben. Der Wiederaufbau der Alten Oper ist u.a. der Hartnäckigkeit der Frankfurter Bürger zu verdanken, was zur Geschichte Frankfurts passt, denn es waren immer wieder die Bürger der Stadt, die große Bauvorhaben angingen und Frankfurt somit ein Aussehen bescherten, das mit jeder Residenzstadt mithalten konnte. Über die Alte Oper soll Kaiser Wilhelm I. sogar gesagt haben: „Das könnte ich mir in Berlin nicht erlauben.“ Es wird für die Frankfurter, welche 1866 von den Preußen besetzt, verschluckt und auf den Status einer Provinzstadt herabgestuft worden waren, eine besondere Genugtuung gewesen sein.

Frankfurt war bis zur preußischen Besetzung eine Freie Stadt, also ebenso eigenständig wie ein Königreich oder Herzogtum. Es wurde aber nicht von einem einzelnen Herrscher regiert, sondern von einer gewählten Stadtregierung, die aus einer Bürgerrepräsentation, einem Senat und zwei Bürgermeistern bestand. Somit gab es auch keinen Herrscher, der sich durch aufwendige Bauprojekte einen Ruf schaffen wollte. Aber es gab die rührigen Frankfurter Bürger, die auch ohne königliche Privatschatulle Wege fanden, ihre Stadt prächtig zu gestalten. Sie gingen dabei so vor, wie man es von findigen Geschäftsleuten erwartet. Einige der Bauwerke und ihre Entstehungsgeschichte möchte ich hier kurz vorstellen.


… hervorgehend aus dem Schoße des Bürgerthums, dem allgemeinen Besten gewidmet, unserer Stadt zur Zierde und Ehre

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Accouchierhäuser – diskretes Gebären im 18. und 19. Jahrhundert

Was uns heute ganz selbstverständlich erscheint – sich zu verlieben und sein Privatleben zu gestalten, mit oder ohne Hochzeit, mit oder ohne Kinder, stellte sich in früheren Jahrhunderten gleich aus mehreren Gründen schwierig dar. Während im 18. Jahrhundert der außereheliche Geschlechtsverkehr als „einfache Unzucht“ illegal war und bestraft wurde, erhielt man nur eine Heiratserlaubnis, wenn man genügend Geld hatte, um eine Familie eine Weile zu ernähren. Diese Regelung sollte verhindern, dass Gemeinden für den Unterhalt verarmter Familien aufkommen mussten, war also durchaus sinnvoll motiviert, allerdings auch lebensfremd. Diese Regelung traf natürlich vor allem ärmere Schichten und so war der Anteil unehelicher Geburten bei diesen sehr hoch. Dies brachte die betroffenen Frauen gleich in mehrere Zwangslagen. Die Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen war ebenso relevant wie jene vor gesellschaftlicher Ächtung. Auch die ganz profane materielle Frage musste bedacht werden. Hier gab es durchaus die Möglichkeit einer Vaterschaftsklage auf Unterhalt, aber selbst wenn die Frau sich entschied, diesen Weg zu gehen und damit erfolgreich war, hatte ein solches Urteil nur einen Nutzen, wenn der Kindsvater Unterhalt überhaupt zahlen konnte. So sahen viele Frauen keinen Ausweg, als ihr Kind umzubringen. Goethe hat den wahren Fall der Susanna Margaretha Brandt in seinem Faust literarisch verarbeitet und tatsächlich wurde zu der Zeit, in der er von diesem Fall erfuhr, das Thema der strengen Bestrafung von Kindsmorden heftig diskutiert und auch in der Literatur häufig behandelt. Das Bewusstsein für die ausweglose Situation unverheiratet schwangerer Frauen entwickelte sich und dies führte dazu, dass mit Beginn des 19. Jahrhunderts der Kindsmord in dieser Lage nicht mehr mit dem Tod bestraft wurde und auch der außereheliche Geschlechtsverkehr keine strafrechtlichen Sanktionen mehr erfuhr. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts (beginnend mit Göttingen, 1751) wurden im heutigen Deutschland die ersten Accouchierhäuser oder Gebärhäuser („accoucher“ ist das französische Wort für „entbinden“) gegründet, öffentliche Gebärhäuser gab es allerdings auch schon zweihundert Jahre vorher.

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Die Tuberkuloseepidemie in den USA

Die Spanische Grippe ist fast jedem historisch interessierten Menschen ein Begriff und ist in den letzten Monaten aus ganz aktuellen Gründen wieder etwas mehr in den Fokus gerückt. Beim Übersetzen des dritten Bandes meiner ursprünglich auf Englisch geschriebenen Allender-Trilogie war es für mich durchaus seltsam, das damals von mir Geschriebene unter Umständen zu übersetzen, die jenes Pandemiegeschehen nun vertrauter erscheinen lassen, als ich es mir hätte vorstellen können. Vor der Spanischen Grippe gab es in den USA aber auch eine weitere Epidemie, die die Allenders ebenfalls betrifft, deren damals so große Gefahr aber heute kaum noch bekannt ist: die „Weiße Pest“, Tuberkulose. Sie war in vielen Ländern im Laufe der Geschichte eine ernste Bedrohung. Als ich zum Studieren in die USA ging, mußte auch ich übrigens einen Tuberkulosetest machen, was ich ein wenig unheimlich fand (allerdings ist diese Umsicht wesentlich weniger unheimlich als die menschenverachtende Art, auf die der heutige US-„Präsident“ mit der Coronapandemie umgeht).

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Buchempfehlung: Kämpfen. Leiden. Lieben (Leben im Schwarzwald)

Ich finde es immer herrlich, wenn Bücher über Geschichte über Jahreszahlen und Herrscher und Berühmtheiten hinausgehen und uns das ganz normale Alltagsleben der ganz normalen Leute beschreiben. Deshalb war ich gleich angetan vom Konzept dieses Buches, das genau meinem Vorlieben und auch meinem Vorgehen beim Schreiben entspricht: „Geschichte über spannende Geschichten zu veranschaulichen (…). Im Mittelpunkt stehen dabei nicht bekannte Herrscher und die große Politik, vielmehr schildern die 16 Miniaturen dieses Buches das Schicksal einfacher Leute.“ (Klappentext). Dieses Buch hat wirklich Spaß gemacht!

In „Kämpfen. Leiden. Lieben“ gibt Thomas Binder uns einen historischen Überblick über das Leben der ganz normalen Schwarzwälder. Keine gekrönten Häupter, keine Berühmtheiten, sondern alltägliche Menschen in ihrem alltäglichen Leben. Das an sich fand ich schon sehr erfreulich und zudem wurde diese gute Idee auch noch ausgezeichnet umgesetzt. Weiterlesen „Buchempfehlung: Kämpfen. Leiden. Lieben (Leben im Schwarzwald)“

„Das ist nicht mein Kind!“ – Vaterschaftsklagen im 19. Jahrhundert

Im Rahmen einer Leserunde zu „Ferne Wolken“ kam aufgrund eines Handlungsstranges die Frage auf, ob ein Mann im 19. Jahrhundert erfolgreich dagegen vorgehen konnte, von einer schwangeren Frau als Vater ihres zukünftigen Kindes benannt zu werden. Oder weiter gefasst: wie ließ sich eine Vaterschaft / eine nicht bestehende Vaterschaft zu jener Zeit beweisen, welche Argumentation war vor Gericht erfolgreich?

Da diese Frage im Buch nicht relevant ist, hatte ich dazu kein Recherchewissen, aber meine Neugier sowohl als Autorin, wie auch als Juristin und geschichtlich interessierter Mensch war geweckt. Und so tat ich, was ich schon zu Studienzeiten so oft getan habe: ich wälzte mich durch alte juristische Artikel, Gesetzestexte und Urteile.

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Buchempfehlung: Der letzte Tanz. Der Untergang der russischen Aristokratie.

Wie ich bereits in einem früheren Artikel erwähnt habe, führt mich meine Recherche oft zu Themen, für die ich mich außerhalb der für das Schreiben benötigten Informationen interessiere. Eines dieser Themen ist der Adel in Russland während und nach der Revolution. Als Teenager hatte ich The House by the Dvina gelesen, einen bewegenden Bericht aus erster Hand über eine Kindheit in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ich wusste damals wenig über die russische Geschichte und der Epilog des Buches schockierte mich – so viele der Familienmitglieder (keine Adligen, sondern wohlhabende bürgerliche Russen) kamen in den Jahren nach der Revolution ums Leben, besonders während Stalins Terrorregime. Naiv wie ich damals war, konnte ich nicht begreifen, warum eine Regierung Leute verhaftete und tötete, die absolut nichts falsch gemacht hatten. Das Buch weckte mein Interesse an Russland und über die Jahre habe ich mehr über die lange und faszinierende Geschichte dieses Landes gelesen. Als ich anfing, die Allender-Trilogie zu planen, wollte ich etwas von der russischen Magie in der Geschichte und so spielen einige Szenen in St. Petersburg.

Ich recherchierte gründlich die für die Trilogie relevante russische Geschichte und Lebensart. Die Beteiligung Russlands an der Allender-Trilogie endet mit der Revolution, aber ich wurde neugierig. Was war mit dem russischen Adel geschehen – viele wurden getötet, viele entkamen. Sind manche geblieben und wenn ja, haben sie überlebt? Ich wusste es nicht – es gibt nicht viel Material über russische Adlige nach der Revolution. Daher habe ich mich gefreut, das Buch „Der letzte Tanz. Der Untergang der russischen Aristokratie.“ zu finden, das ich in der englischen Version las. Weiterlesen „Buchempfehlung: Der letzte Tanz. Der Untergang der russischen Aristokratie.“