Accouchierhäuser – diskretes Gebären im 18. und 19. Jahrhundert

Was uns heute ganz selbstverständlich erscheint – sich zu verlieben und sein Privatleben zu gestalten, mit oder ohne Hochzeit, mit oder ohne Kinder, stellte sich in früheren Jahrhunderten gleich aus mehreren Gründen schwierig dar. Während im 18. Jahrhundert der außereheliche Geschlechtsverkehr als „einfache Unzucht“ illegal war und bestraft wurde, erhielt man nur eine Heiratserlaubnis, wenn man genügend Geld hatte, um eine Familie eine Weile zu ernähren. Diese Regelung sollte verhindern, dass Gemeinden für den Unterhalt verarmter Familien aufkommen mussten, war also durchaus sinnvoll motiviert, allerdings auch lebensfremd. Diese Regelung traf natürlich vor allem ärmere Schichten und so war der Anteil unehelicher Geburten bei diesen sehr hoch. Dies brachte die betroffenen Frauen gleich in mehrere Zwangslagen. Die Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen war ebenso relevant wie jene vor gesellschaftlicher Ächtung. Auch die ganz profane materielle Frage musste bedacht werden. Hier gab es durchaus die Möglichkeit einer Vaterschaftsklage auf Unterhalt, aber selbst wenn die Frau sich entschied, diesen Weg zu gehen und damit erfolgreich war, hatte ein solches Urteil nur ein Nutzen, wenn der Kindsvater Unterhalt überhaupt zahlen konnte. So sahen viele Frauen keinen Ausweg, als ihr Kind umzubringen. Goethe hat den wahren Fall der Susanna Margaretha Brandt in seinem Faust literarisch verarbeitet und tatsächlich wurde zu der Zeit, in der er von diesem Fall erfuhr, das Thema der strengen Bestrafung von Kindsmorden heftig diskutiert und auch in der Literatur häufig behandelt. Das Bewusstsein für die ausweglose Situation unverheiratet schwangerer Frauen entwickelte sich und dies führte dazu, dass mit Beginn des 19. Jahrhunderts der Kindsmord in dieser Lage nicht mehr mit dem Tod bestraft wurde und auch der außereheliche Geschlechtsverkehr keine strafrechtlichen Sanktionen mehr erfuhr. Bereits Mitte des 18. Jahrhunderts (beginnend mit Göttingen, 1751) wurden im heutigen Deutschland die ersten Accouchierhäuser oder Gebärhäuser („accoucher“ ist das französische Wort für „entbinden“) gegründet, öffentliche Gebärhäuser gab es allerdings auch schon zweihundert Jahre vorher.

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Die Tuberkuloseepidemie in den USA

Die Spanische Grippe ist fast jedem historisch interessierten Menschen ein Begriff und ist in den letzten Monaten aus ganz aktuellen Gründen wieder etwas mehr in den Fokus gerückt. Beim Übersetzen des dritten Bandes meiner ursprünglich auf Englisch geschriebenen Allender-Trilogie war es für mich durchaus seltsam, das damals von mir Geschriebene unter Umständen zu übersetzen, die jenes Pandemiegeschehen nun vertrauter erscheinen lassen, als ich es mir hätte vorstellen können. Vor der Spanischen Grippe gab es in den USA aber auch eine weitere Epidemie, die die Allenders ebenfalls betrifft, deren damals so große Gefahr aber heute kaum noch bekannt ist: die „Weiße Pest“, Tuberkulose. Sie war in vielen Ländern im Laufe der Geschichte eine ernste Bedrohung. Als ich zum Studieren in die USA ging, mußte auch ich übrigens einen Tuberkulosetest machen, was ich ein wenig unheimlich fand (allerdings ist diese Umsicht wesentlich weniger unheimlich als die menschenverachtende Art, auf die der heutige US-„Präsident“ mit der Coronapandemie umgeht).

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