„Das ist nicht mein Kind!“ – Vaterschaftsklagen im 19. Jahrhundert

Im Rahmen einer Leserunde zu „Ferne Wolken“ kam aufgrund eines Handlungsstranges die Frage auf, ob ein Mann im 19. Jahrhundert erfolgreich dagegen vorgehen konnte, von einer schwangeren Frau als Vater ihres zukünftigen Kindes benannt zu werden. Oder weiter gefasst: wie ließ sich eine Vaterschaft / eine nicht bestehende Vaterschaft zu jener Zeit beweisen, welche Argumentation war vor Gericht erfolgreich?

Da diese Frage im Buch nicht relevant ist, hatte ich dazu kein Recherchewissen, aber meine Neugier sowohl als Autorin, wie auch als Juristin und geschichtlich interessierter Mensch war geweckt. Und so tat ich, was ich schon zu Studienzeiten so oft getan habe: ich wälzte mich durch alte juristische Artikel, Gesetzestexte und Urteile.

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Die Nürnberger Gesetze von 1935 und die Dienstmädchen

16. September 1935 in Berlin, Auszug aus „Des Lebens labyrinthisch irrer Lauf“:
Dorchen nahm die Zeitung vom Tisch und hielt Richard eine Seite hin. Mit zitterndem Finger tippte sie auf den Text.
„Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes,“ las Richard vor. Er überflog den Text. „Eheschließungen und Beziehungen zwischen Juden und Ariern verboten. Das haben sie sich jetzt in Nürnberg einfallen lassen? Das ist ein weiterer Auswuchs ihres Irrsinns und sehr unschön, aber kein Grund zu weinen.“
Dorchen sah ihn stumm an, während die Tränen ihre Wangen hinunterliefen.
Plötzlich verstand Richard. „Oh.“
„Es ist schlimm genug, wenn man alles verheimlichen muss, weil man Angst vor den Reaktionen haben muss, aber nun macht man sich strafbar! Nur weil man jemanden liebt! Er würde mit Zuchthaus bestraft! Zum Schutz des deutschen Blutes, als ob die Juden verseucht wären! Wie kann denn so etwas Gesetz sein?“

Die am Vortag jenes Dialoges erlassenen „Nürnberger Gesetze“ sind wahrscheinlich jedem, der sich ein wenig mit der Nazidiktatur beschäftigt hat, ein Begriff. Dieses absurde Gesetz eines gesetzlosen Staates wurde durch Schaubilder illustriert, die genau zeigten, wann man „Deutschblütiger“, „Mischling 2. Grades“, „Mischling 1. Grades“ oder „Jude“ war. In einem zweiten Gesetz wurde den Juden zugleich noch die Bürgerschaft entzogen, Juden waren keine Reichsbürger mehr. Dies bedeutete unter anderem eine Entziehung des aktiven und passiven Wahlrechtes. Weiterlesen „Die Nürnberger Gesetze von 1935 und die Dienstmädchen“

Schreiberfahrungen: Gastbeitrag der Autorin Lucy Blohm

Als Lucy Blohm Anfang des Jahres bei Lovelybooks eine Leserunde zu ihrem neuen Roman „Anna und der Goethe“ eröffnete, war ich sofort Feuer und Flamme. Ein Buch, in dem Goethe in die heutige Zeit reist, welch ein Traum! Ich war ein wenig neidisch auf die Protagonistin Anna, die eines Morgens Goethe (Goethe!!) in ihrer Küche vorfindet. Natürlich wollte ich wissen, wie diese Idee umgesetzt worden war. Die Leseprobe versprach einen flotten Stil und guten Humor. Der gute Eindruck wurde bestätigt, wie man auch hier meiner Rezension entnehmen kann.

Abgesehen davon, daß das Buch eine Freude war, entpuppte sich auch der Austausch mit der Autorin Lucy Blohm als Vergnügen. Das ist einer der vielen Vorteile von Lovelybooks – ich habe dort einige ganz tolle Autoren kennengelernt! Lucy Blohm hat ein weiteres Buch geschrieben, die Novelle „Mit gebrochenen Flügeln“, einer der Finalisten des Kindle Storyteller Awards 2018. Bei einer so guten Autorin, der die Balance zwischen Humor und Ernstem hervorragend gelingt, fand ich die Hintergründe der Buchideen interessant und fragte Lucy, ob sie ein wenig darüber für diesen Blog schreiben würde. Sie sagte sofort zu und hier haben wir nun Lucy Blohms eigene Zeilen, die einen tollen Einblick in das Schreiben, das Autorenleben bieten. Weiterlesen „Schreiberfahrungen: Gastbeitrag der Autorin Lucy Blohm“

T4 – harmloser Name für vielfachen Mord

Wenn man ein Buch schreibt, das die Jahre 1933 – 45 umfaßt, dann ist die Recherche oft sehr bedrückend. Es sind so viele unaussprechlich furchtbare Dinge in dieser Zeit passiert, so viele unschuldige Menschen wurden Opfer der Diktatur.

Eines der schwierigsten Themen sowohl bei der Recherche als auch beim Schreiben war jenes, welches sich hinter dem so harmlos klingenden Namen „T4“ verbirgt. Der (erst in der Nachkriegszeit verwendete) Name kommt von der Adresse jener Stelle, die die Morde an Menschen organisierte, welche vom der Nazi-Diktatur als „lebensunwert“ (das Wort alleine jagt einem Schauder über den Rücken) angesehen wurde – Tiergartenstraße 4 in Berlin. Als „lebensunwert“ wurde man in der Diktatur aus vielen Gründen betrachtet, hier bezieht es sich auf jene, die psychische Krankheiten oder geistige Behinderungen hatten. Die Ermordung dieser Menschen wurde zur Nazizeit als „Euthanasie“, als „Aktion Gnadentod“ bezeichnet, bzw. verschleiert (in einem Regime, für das Gnade ohnehin ein Fremdwort war). Weiterlesen „T4 – harmloser Name für vielfachen Mord“

Tagebücher und andere Primärquellen für die Recherche nutzen

Zu Beginn meiner Recherchen (ja, es ist lange her) waren Informationen über das tägliche Leben in früheren Zeiten schwer zu finden. Sachbücher über die Vergangenheit tendierten dazu, die großen Ereignisse, die Politik, die berühmten Menschen zu erfassen. Das tägliche Leben wurde im Abschnitt „Überblick über die Gesellschaft zur Zeit von …“ gelegentlich beschrieben. Seitdem sind viele ausgezeichnete Bücher über das tägliche Leben in verschiedenen Zeiträumen veröffentlicht worden, aber sie gehen mir oft nicht genug in die Tiefe.

Ich entdeckte schließlich den Wert von Tagebüchern für meine Nachforschungen. Sie geben ein ausgezeichnetes Bild des täglichen Lebens – das ist schliesslich auch der Zweck der meisten Tagebücher. Es ist ein unveränderter Blick in die Vergangenheit, keine Deutungen, keine sorgfältig ausgewählten Ausschnitte – nein, das Wahre.
Viele Geschichtsbücher verwenden Tagebücher und andere Primärquellen, aber sie enthalten nur Auszüge, die zum Thema des Buches passen. Das ergibt Sinn, und wir können dankbar sein, dass die Autoren die besten Teile aus dem riesigen Material für uns ausgewählt haben. Trotzdem macht es manchmal mehr Sinn, ein ganzes Tagebuch zu lesen, um das komplette Bild zu verstehen. Es ist schließlich der geregelte Alltag, den ich kennenlernen möchte – direkt, nicht in komprimierter Form. Weiterlesen „Tagebücher und andere Primärquellen für die Recherche nutzen“