Tod und Trauer im viktorianischen Amerika

Der Tod war im viktorianischen Zeitalter ein großer Teil des täglichen Lebens, und leider war der vorzeitige Tod keine Ausnahme. Wie ging das viktorianische Amerika damit um?

GESCHICHTLICHESALLENDERUSA

In einer Familiengeschichte, die sich über hundert Jahre erstreckt, gibt es natürlich einige Tote. Romanfiguren haben normalerweise kein leichtes Leben, da ihre Schicksale für die Leser von Interesse sein müssen, und so haben die meisten von ihnen auch keine leichten Tode. Im Laufe der Allender-Trilogie begegnen Menschen ihrem Ende auf verschiedene Arten:
7 – Krieg
6 Glückspilze – natürlicher Tod durch Alter
4 – Mord
3 – Influenza
2 – Selbsttötung
2 – Lungenentzündung
2 – Herzinfarkt
1 – Leberzirrhose
1 – Kindbett
1 – Krebs
1 – Pocken
1 – Blinddarmdurchbruch
1 – Unfall

Obwohl ich den meisten meiner Charaktere keinen friedlichen Tod im Alter zugestanden habe, war ich nicht grausam. In viktorianischen Zeiten war der vorzeitige Tod weit üblicher als heute. Epidemien fegten häufig über die Vereinigten Staaten hinweg – Cholera, Typhus, Diphtherie, Pocken, Masern und Gelbfieber waren alles Volkskrankheiten, die viele Leben forderten. Die Kindersterblichkeit betrug rund 18%, der Tod im Kindbett war eine ernstzunehmende Gefahr. Der Bürgerkrieg forderte rund 1.000.000 Leben. Krankheiten konnten oft nicht so gut behandelt werden wie heute und somit tödlich enden – in einem Buch las ich über eine Frau, die nach einer Zahnextraktion starb, als sich die Wunde infizierte. Der Tod war im viktorianischen Zeitalter ein weitaus größerer Teil des täglichen Lebens.

Beerdigungen

Im frühen 19. Jahrhundert war eine Aufbahrung nach dem Tod üblich. Der Verstorbene war im besten Sonntagsstaat gekleidet und lag im besten Zimmer des Hauses. Nachbarn und Verwandte wechselten sich bis zu vier Tage lang an der Seite der Leiche ab. Der Grund dafür ist praktisch – sicherzustellen, dass die Person, die begraben werden soll, wirklich tot ist. Die Viktorianer hatten große Angst, lebendig begraben zu werden, und da die Methoden zur Bestimmung des Todes nicht immer völlig zuverlässig waren, war die Angst gar nicht unbegründet. Edgar Allan Poes Geschichte „The Premature Burial“ illustriert diese Ängste sehr gut.

Der Raum war voller Blumen und Kerzen, nicht nur aus ästhetischen Gründen, sondern aus ganz praktische Motivation – sie überdeckten den Geruch des verwesenden Körpers. Der Körper ruhte oft auf einer Wanne mit Eis, um den Zerfallsprozess zu verlangsamen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde die Einbalsamierung üblich. Die Ursprünge dieser Praxis liegen im Bürgerkrieg – Soldaten starben weit von zu Hause, Familien wollten die Leichen ihrer Lieben zu Hause begraben, nicht auf einem Schlachtfeld. Um diese Körper für die lange Reise zu bewahren, wurden sie einbalsamiert (wenn die Familie es sich leisten konnte).

Nach Abraham Lincolns Ermordung wurde sein Leichnam von Washington D.C. in seine Heimatstadt Springfield gebracht – die Reise dauerte zwölf Tage und führte Lincolns Überreste durch die sieben Staaten, durch die er auf dem Weg zu seiner Vereidigung gereist war. Es wurden mehrere Aufenthalte gemacht, damit die Leute ihre Aufwartung machen konnten. Diese lange Reise wurde durch Einbalsamierung ermöglicht, die dann im ganzen Land bekannt und beliebt wurde. Die Einbalsamierung ermöglichte es auch, die Leiche in einem offenen Sarg vor der Beerdigung zu präsentieren. Zuvor war die Leiche in ein Leichentuch gehüllt worden.

Beerdigungen – und Grabsteine - wurden im Laufe des 19. Jahrhunderts verschwenderischer: mit einem Leichenwagen, Sargträgern, verzierten Särgen, die mit teuren Stoffen ausgekleidet waren, Blumen, die so angeordnet waren, dass sie wie blühende Kreuze, Herzen oder andere Symbole aussahen. Bei der Beerdigung von Kindern wurde häufig Weiß als vorherrschende Farbe verwendet.

Trauerzeit

Man trauerte nicht einfach so lange, wie man sich danach fühlte – es gab Regeln über die Trauerzeit. Das bedeutete nicht unbedingt, dass man tatsächlich für genau diese Dauer um den Verstorbenen trauerte, sondern dass man alle notwendigen Voraussetzungen für den Trauerstatus – Kleidung, angemessenes Verhalten, Verwendung von Trauergegenständen – einhielt. Die Trauerzeit hing von der Beziehung ab, die man mit dem Verstorbenen hatte und auch vom eigenen Geschlecht – Frauen hatten längere Trauerzeiten.

Witwen hatten die längste Trauerzeit: mindestens 2 1/2 Jahre mit verschiedenen Graden der Trauer. Für das erste Jahr und den ersten Tag nach dem Tod des Ehemannes war die Witwe in „voller Trauer“, was bedeutet, dass sie schwarze Kleider in matten Stoffen trug – normalerweise Krepp. Gegenstände wie Taschentücher oder Sonnenschirme waren schwarz gesäumt. Kein Schmuck oder andere Verzierung sollte getragen werden. Die Witwe sollte jegliche soziale Interaktion beenden, außer die unmittelbare Familie zu sehen und die Kirche zu besuchen. Wenn sie nach draußen ging, sollte ihr Gesicht von einem Schleier verhüllt sein. Eine Frau, die innerhalb dieser Zeit der vollen Trauer wieder heiratete, würde mit extremer Missbilligung behandelt werden (um es milde auszudrücken).

Nach einem Jahr und einem Tag konnte eine Witwe in die zweite Trauerphase übergehen und Kleidung und Verhalten nach und nach anpassen, was bedeutet, dass ein Teil der Krepps verschwinden konnte, die Kleider durften wieder aus glänzendem Stoff sein (aber immer noch schwarz!), Trauerschmuck war erlaubt, sowie einige kleinere Verzierungen in schwarz. Das gesellschaftliche Leben konnte allmählich wieder aufgenommen werden. Der Schleier war immer noch vorhanden, konnte aber gehoben werden. Diese Periode dauerte ungefähr neun Monate und führte zur sogenannten halben Trauer (half mourning).

Nun konnten lila, lavendelfarbene oder graue Kleider getragen werden, sogar mit einem – diskreten – Muster. Schmuck und Verzierungen waren wieder erlaubt, ebenso wie weiße Umsäumungen. Der Schleier war verschwunden, die Hüte und Hauben aufwendiger. Die Witwe durfte wieder voll am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

Einige Witwen, besonders die älteren, entschieden sich, für den Rest ihres Lebens in der zweiten Trauerphase oder in halber Trauer zu bleiben.

Die Trauerdauer für Witwer war weniger streng, sie konnte zwischen drei Monaten und einem Jahr liegen. Ein Witwer trug einen schwarzen Anzug (für die meisten war das sowieso die übliche Kleidung), mit einer schwarzen Armbinde und einem Hutband. Das Leben eines Witwer änderte sich nicht viel, da die tägliche Notwendigkeit es normalerweise erforderte, dass er zur Arbeit ging, obwohl erwartet wurde, dass er das soziale und öffentliche Leben einschränkte. Ein weiterer Grund für die weniger intensive Trauer der Witwer war, dass Männer keine offenen Gefühle zeigen sollten.

Die Wiederverheiratung eines Witwers war gesellschaftlich akzeptabel – viele viktorianische Witwer hatten Kinder und brauchten schnell eine neue Mutter für sie. Es wurde erwartet, dass die neue Frau im ersten Jahr nach dem Tod auch die verstorbene Ehefrau betrauerte, und die Familie hielt sich für diese Zeit vom sozialen Leben fern.

Die Trauerzeit für die Eltern war ein Jahr – selbst kleine Kinder mussten Trauerkleidung tragen. Die Trauerzeit für Kinder betrug auch ein Jahr, sechs Monate für kleinere Kinder. Geschwister sollten sechs Monate lang betrauert werden. Von anderen Verwandten wurde erwartet, dass sie bis zu drei Monate betrauert werden.

Trauerartikel

Trauerschmuck wurde aus Jett, schwarzer Emaille oder sogar menschlichem Haar hergestellt. Üblicherweise wurde das Haar des Verstorbenen benutzt und zu einem Armband, einer Uhrkette oder einem Ring verwoben oder in eine Brosche oder ein Medaillon gelegt. Die damaligen Zeitschriften zeigten sogar Flechttechniken.

Trauerdrucke konnten für wenig Geld erworben werden, sie zeigten typische Trauerbilder, zum Beispiel einen Grabstein, eine Trauerweide, einen Trauernden, eine Kirche oder ein Kreuz. Der Name und das Sterbedatum des Verstorbenen wurden ebenfalls abgedruckt, normalerweise mit einem Bibelzitat.

Die Wiederverheiratung wurde ein Jahr und einen Tag nach dem Tod des Mannes erlaubt, und selbst dann war sie manchmal verpönt. Es wurde akzeptiert, wenn eine Witwe wieder heiratete, um einen neuen Vater für ihre Kinder zu haben oder weil sie keine Möglichkeit hatte, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Wenn das nicht der Fall war, führte die Wiederverheiratung zu einem Verdacht auf unmoralische Motive. Queen Victoria führte wieder einmal einen Trend ein – sie für den Rest ihres Lebens um ihren Ehemann, und es war mehr oder weniger das, was von jeder „anständigen“ Witwe erwartet wurde.

Das Trauerbriefpapier hatte eine schwarze Umrandung und wurde während der Trauerzeit für die gesamte Korrespondenz benutzt. Einige wählten während der ersten Trauerzeit eine breitere schwarze Umrandung und benutzten dann während der zweiten Trauerphase oder der halben Trauer Briefpapier mit einem dünneren Rand. – Karten mit schwarzer Umrandung wurden versandt, wenn die Hinterbliebenen bereit waren, Besucher empfangen, und sie wurden dann an alle verschickt, die seit dem Trauerfall den Haushalt aufgesucht hatten.

Trauertraditionen

Ein Kranz mit schwarzem Krepp wurde an der Eingangstür eines trauernden Hauses befestigt, um den Tod bekanntzugeben und die Besucher davon abzuhalten, die Türklingel zu läuten (oder zu laut zu läuten) – die lauten Erinnerungen an das tägliche Leben wurden so weit wie möglich ferngehalten. Weißer Krepp wurde verwendet, wenn ein Kind gestorben war.

Die Uhren wurden zum Zeitpunkt des Todes gestoppt. Jalousien wurden heruntergelassen, um das Licht – und das äußere Leben – draußen zu halten.

Spiegel wurden verdeckt – aus einem alten Aberglauben, dass der Geist des Verstorbenen sonst im Spiegel gefangen wäre.

Körper wurden zuerst mit den Füßen aus dem Haus getragen, so dass der Verstorbene nicht zurückblicken und ein anderes Haushaltsmitglied mit in den Tod nehmen würde.

Postmortem Fotografie

Eine Gewohnheit, die viele heutige Menschen schaudern lässt, ist die postmortale Fotografie. Die Fotografie hatte sich während des Bürgerkrieges weiterentwickelt und verbreitet, Fotos von wichtigen Momenten im Leben wurden üblich. Der Tod war, wie bereits erwähnt, ein regelmäßigerer Teil des viktorianischen Lebens als heute. Die Menschen starben normalerweise zu Hause, es gab Aufbahrungen und offene Särge – die Toten zu sehen war nichts Ungewöhnliches, also war das Fotografieren der Toten eine normale Art, eine visuelle Erinnerung an die verstorbene Person zu haben. Oft war es die einzige Möglichkeit, ein Foto zu haben, da die Menschen nicht so oft fotografiert wurden wie heute. Bevor die Fotografie üblich wurde, wurden Totenmasken oder Bleistiftzeichnungen des Verstorbenen angefertigt, um ein Erinnerungsstück zu haben.

Was auf uns ungewöhnlich wirkt (um es milde auszudrücken) ist, wie oft diese Fotografien Leichen in einer lebensnahen Situation darstellen. Sie liegen nicht alle friedlich im Bett oder in ihrem Sarg. In einigen Fällen wurden Leichen für das Foto auf einem Sofa oder Stuhl platziert, oft sogar mit lebenden Verwandten. Ein Foto eines Kindes neben seinem toten Geschwister war nicht ungewöhnlich. Rouge und andere kosmetische Tricks ließen den Verstorbenen oft fast lebendig aussehen.

Viele dieser Trauertraditionen und Sitten wurden von den mittleren und wohlhabenderen Klassen gepflegt – die Armen konnten sie sich schlicht nicht leisten. Eine ganze Industrie entwickelte sich um Trauer- und Begräbnisrituale, die Trauerdrucke, Särge, Trauermode und -gegenstände, Blumenarrangements, Einbalsamierung und vieles mehr bereitstellte. Im Ersten Weltkrieg wurden die meisten dieser Traditionen gelockert – Frauen waren nun häufig Teil der Arbeitswelt und konnten sich nicht für längere Zeit von der Welt zurückziehen. Sie wollten es auch nicht. Die viktorianische Vertrautheit – einige würden sogar sagen: Obsession – mit dem Tod verging. Frühzeitige Todesfälle nahmen ab, Menschen starben außerhalb der eigenen vier Wände und Beerdigungsinstitute nahmen die Aufbahrungs- und Beerdigungsvorbereitungen aus dem eigenen Heim heraus.