Über mich
Die Anfänge
Das Schreiben hat mich fasziniert, seit ich schreiben kann; die Geschichte kam ein paar Jahre später hinzu. Schon als Kind habe ich meine armen Eltern in den USA von Bürgerkriegsschlachtfeld zu Bürgerkriegsschlachtfeld geschleppt, mit einem Bürgerkriegsmuseum zwischendurch zur Entspannung. Wenn man dann wie ich das Glück hat, zumindest einige Jahre in Philadelphia zu leben, kommt man aus der amerikanischen Geschichte gar nicht mehr hinaus – die sonntäglichen Spaziergänge durch das koloniale Viertel Society Hill waren herrliche Gedankenreisen in die aufregendste Zeit der Stadt und boten zudem eine Vielfalt an Inspiration. Nach einem Ausflug an historische Orte kann ich gar nicht anders, als zu schreiben, die ganze aufgenommene Geschichte muss irgendwie wieder raus.
Die Inspiration
Immer, wenn ich solche Stätten sehe oder über historische Ereignisse lese, frage ich mich: Wie haben völlig normale Menschen die Geschichte erlebt? Welche Schicksale stecken dahinter? Und so vergrabe ich mich am Anfang eines neuen Buchprojekts tief in die Geschichte der jeweiligen Epoche. Dadurch ergeben sich die Handlungsstränge in meinen Büchern schon fast von alleine – das Betrachten der Geschichte und die Überlegung, wie sie sich auf die Menschen dieser Zeit auswirkt. Es ist die Geschichte, die mir die Anregung für die Geschichten gibt.
Die Schönaus
und meine Familiengeschichte
Wieviel eigene Familiengeschichte steckt in den Schönaus?
Einiges. Viele der Erlebnisse der Hauptfigur Lotte entsprechen dem, was eine Verwandte in der Kriegs- und Nachkriegszeit durchgemacht hat. Ihre Geschichte hat mich zu den beiden Schönau-Büchern inspiriert. Es hat mich fasziniert und erschüttert, wie die Menschen dieser Generation der Geschichte ausgeliefert waren, wie Diktatoren, Soldaten, Gesetze, ungesetzliche Maßnahmen in ihr Leben eingriffen. Die Erlebnisse anderer Personen in den Büchern sind oft von Geschehnissen unserer Familiengeschichte inspiriert, auch wenn sie den tatsächlichen Geschehnissen nicht in allen Details entsprechen. Die Familienstruktur selbst war in meiner Familie ein wenig anders, aber es finden sich viele Gemeinsamkeiten zwischen Buch und Wirklichkeit. Wenn es zum Beispiel ungewöhnlich erscheint, dass mehrere Töchter einer Familie in den 1920ern studierten, so war dies in unserer Familie tatsächlich der Fall.
Meine Großtante hatte mir viele Dinge erzählt, mein verstorbener Großvater hat seine Geschichte und die seiner Vorfahren in Buchform aufgeschrieben. Ich war selbst an den ehemaligen Wohnorten, hatte die Möglichkeit, an der Universität Jena zu studieren, die vor dem Krieg für viele Familienmitglieder die Universität ihrer Wahl war. So war es leicht, diesen Teil der Familie literarisch wiederauferstehen zu lassen. Letztlich haben sich bei den Schönaubüchern Fakten und Fiktion zu einer hoffentlich lesenswerten Geschichte vermischt. Es ist das Persönlichste, was ich bisher geschrieben habe und ging mir sehr nah. Ich mußte nach vielen Szenen lange Schreibpausen einlegen, die historische Recherche fiel mir oft schwer. Nachdem ich die Bücher beendet hatte, brauchte ich über ein Jahr, um an ein neues Projekt überhaupt nur zu denken.
Die Handlungsorte
Die Schönaus – Leipzig
Die Bücher sind ein wenig von meiner eigenen Familiengeschichte inspiriert, die sich hauptsächlich in Thüringen, aber zum Teil auch in Sachsen abspielte. Leipzig ist eine wundervolle Stadt und zudem eine, die viele historische Ereignisse gesehen und oft auch angestoßen hat. Als mir die Idee für die Schönaus kam, war es für mich gar keine Frage: die Bücher müssen in Leipzig stattfinden! Leipzig ist fast einer der Charaktere des Buches – auch die Stadt erlebt viel, verändert sich, leidet, erholt sich. Beim Recherchieren des historischen Leipzigs konnte ich die Schönaus, ihre Freunde und Verwandte fast bildlich vor mir sehen, wie sie durch das Musikviertel schlendern, die so bemerkenswerte Universität entdecken, ein Hochzeitsfoto auf der malerischen Brücke im Johannapark machen. Sie passen zu Leipzig. Und wenn der Familienvater Wilhelm beim Gang in die Stadt auch immer das Goethedenkmal begrüßt, dann ist das nicht weit hergeholt, denn das mache ich bei jedem Leipzigbesuch ebenfalls. Es gibt keine Stadt, der ich mich so verbunden fühle und das konnte ich mit der Geschichte der Schönaus ausdrücken.
Die Allender-Trilogie – Kentucky, Philadelphia, Texas, Mississippi
Als ich in den USA in der wundervollen Stadt Philadelphia wohnte, deren koloniales Viertel Society Hill Geschichte geradezu ausstrahlt, war es nur natürlich, mich an die Geschichte einer amerikanischen Familie zu setzen. Die Vereinigten Staaten sind so vielfältig, daß ich mich für die Trilogie über die Familie Allender nicht auf einen Ort beschränken konnte. Die Allender-Trilogie schrieb ich auf Englisch. Mittlerweile habe ich sie auf Deutsch übersetzt. Die amerikanische Geschichte ist schon aufgrund der Größe des Landes sehr vielfältig, insbesondere im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Während die Ostküstenstädte im 19. Jahrhundert schon recht fortschrittlich waren, konnte eine Reise Richtung Westen auch fast wie eine Reise zurück in der Zeit empfunden werden. Texas war in den 1830ern / 1840ern mitten in der Pionierzeit, die (damals) modernen Errungenschaften von Philadelphia lagen für Texaner noch in weiter Ferne. Das Leben im Alten Süden war hinsichtlich Gesellschaftsstruktur und Alltag im Vergleich zu den Nordstaaten wie das eines anderen Landes. All diese Facetten der damaligen USA sind viel zu spannend, um sie unerwähnt zu lassen und so verteilen sich die Allenders der ersten Generation über das ganze Land. Unrealistisch ist es nicht, dass vier Söhne einer Familie zu jener Zeit in unterschiedlichen Gebieten wohnen – abgesehen davon, dass ihre kleine Heimatstadt in Kentucky nicht viele Entwicklungsmöglichkeiten bot, zog es die Amerikaner jener Zeit oft weit von ihrem Geburtsort weg, auf der Suche nach Abenteuern, Land, Reichtum.
Die Wallenfels-Trilogie – Frankfurt und Kronberg
Frankfurt war für mich lange die modern verbaute, wenig charmante Stadt, in deren Nähe ich damals aus Berufsgründen gezogen bin. Ganz allmählich lernte ich sie besser kennen, entdeckte die erhabene Schönheit der Alten Oper, mein geliebtes Goethehaus, ein reizendes kleines Haus in der Fressgass, das einen Eindruck bot, wie das alte Frankfurt einmal aussah, und noch mehrere andere Stellen, die mir zeigten, daß Frankfurt mehr ist als das, was man auf den ersten Blick sieht. Man muß mehr suchen als z.B. in Leipzig oder Philadelphia, aber es lohnt sich. Und so begann ich, mich dieser Stadt auf die mir vertraute Weise zu nähern: durch ihre Geschichte. Dabei stellte ich fest, wie faszinierend diese ist, was Frankfurt alles erlebt hat und wie sehenswert es früher einmal war. Es tut mir immer ein wenig leid, wenn ich alte Ansichten der Stadt sehe und feststelle, was alles verlorenging. Die intensive Beschäftigung führte zu dem Wunsch, auch über Frankfurt und seine Menschen zu schreiben.
Kronberg, dieses charmante und liebenswerte Taunusstädtchen, ist mir ans Herz gewachsen und es verstand sich von selbst, daß eine Trilogie über Frankfurt nicht ohne Kronberg stattfinden kann. Und Kronberg machte es mir einfach, denn es hat geschichtlich durchaus einiges zu bieten. Das alte Cronberg (wie es bis 1933 geschrieben wurde), das gerade im dritten Band der Wallenfels-Trilogie eine Rolle spielt, aber auch in den früheren Bänden schon ab und an vorkommt, und dessen so weithin sichtbarer Altkönig vom Einband des ersten Bandes grüßt, ist auch heute noch gut erkennbar. Es war mir ein ganz privates Anliegen, diese hübsche und freundliche Stadt in die Geschichte der Familie Wallenfels einzubinden.
Die Dabnow-Chronik – Havelland und Berlin
Hier ging ich anders vor als bei meinen anderen Büchern. Zuerst vertiefte ich mich in die Geschichte der diversen deutschen Länder. Ich wollte etwas schreiben, das einen längeren Zeitraum erfasst, das die Entwicklung eines Ortes über mehrere Epochen hinweg abbildet – ein Chronik eben. Hier suchte ich nach Ereignissen, über die ich schreiben wollte, und überlegte dann, welche Gegend sich als Handlungsort am besten eignete.
Die Einwanderung der Hugenotten nach Brandenburg war ein solches Ereignis, an dem meine Aufmerksamkeit gleich hängen blieb. Ich hatte eine Weile zuvor in einer Biographie über meinen geliebten Theodor Fontane gelesen, daß dieser hugenottischer Abstammung war. Von den Hintergründen hatte ich damals eine vage Ahnung bekommen, nun vertiefte ich dieses Thema und fand es zunehmend faszinierender – nicht nur die Hintergründe, sondern auch die starken Impulse, die jene Hugenotten, die als Flüchtlinge gekommen und von der Bevölkerung keineswegs bereitwillig aufgenommen waren, für ihre neuen Heimatländer (neben Brandenburg u.a. Hessen-Kassel oder Bayreuth) bedeuteten. Länder, die vom 30jährigen Krieg ausgeblutet waren.
Meine Entscheidung für Brandenburg fiel sehr schnell, als ich mich erneut darüber einlas, wie dieses Land sich nach dem 30jährigen Krieg entwickelte, welche Vorhaben die jeweiligen Herrscher dafür durchsetzten und wie erfolgreich oder erfolglos sie damit waren. Es ist eine interessante Reise vom am Boden liegenden Kurfürstentum über das Königreich, das sich von Brandenburg-Preußen zu dem Preußen entwickelte, welches auf die deutsche Geschichte einen solchen Einfluss hatte. Diese Reise wollte ich literarisch machen. Bei der Entscheidung für das Havelland spielten dann ganz sentimental Fontane und ganz praktisch die Nähe zu Berlin eine Rolle. Das Gut und der Ort Dabnow, etwa auf halber Strecke zwischen Berlin und der Stadt Brandenburg an der Havel gelegen, sind fiktiv. Das gab mir bei den lokalen Ereignissen mehr Freiheit, denn wer meine Bücher kennt, weiß, daß alle historischen Ereignisse, alle Entwicklungen in tatsächlich existierenden Orten sorgfältig recherchiert und korrekt sind. Dabnows Geschichte ist ein leeres Blatt, welches ich nach Belieben füllen kann – natürlich vor dem akkurat recherchierten Hintergrund der Geschichte Brandenburgs.
Total Immersion – Recherche und Schreiben
Als ich im Dezember 2022 zum zweiten Mal von der Taunus Zeitung interviewt wurde, war eine der Fragen, wie ich mich in die sehr verschiedenen historischen Epochen hineinfinde, über die ich schreibe. Ich würde es als total immersion bezeichnen. Natürlich kleide ich mich nicht in der jeweiligen Mode (obwohl ich das rasend gerne tun würde, aber ich glaube, dann würde ich im Supermarkt oder bei der Post doch seltsam angesehen) oder verbanne alle modernen Errungenschaften aus meinem Zuhause, aber ich vertiefe mich komplett in die Zeit.
Ich lese alles, was ich in die Finger bekommen kann, vorzugsweise Briefe und Tagebücher. Ich höre die Musik, betrachte Bilder, sehe Dokumentationen und je nach Epoche auch Originalaufnahmen, schaue mich vor Ort um und wühle mich durch so viel aus der jeweiligen Vergangenheit, daß ich manchmal eine Weile brauche, um wieder in die Gegenwart zu finden (keine Sorge, es ist nicht pathologisch, aber es gibt Phasen, in denen mir z.B. das Berlin des 18. Jahrhunderts oder Frankfurt des 19. Jahrhunderts mehr vor Augen steht als das gegenwärtige Alltagsgeschehen).
Es ist ein herrliches Gefühl, sich einer noch fast ganz oder teilweise unbekannten Epoche allmählich zu nähern, Alltag, Mode, Gedanken erst einmal Stück für Stück zu recherchieren, bis man irgendwann feststellt, daß sie einem vertraut geworden sind. Freunde und Familie haben sich schon daran gewöhnt, daß ich zeitweilig in anderen zeitlichen Sphären wandele und ich glaube, daß dieses intensive Einsinken in die Zeit dazu beiträgt, daß auch meine Leser ganz in die Geschichten einsinken können – daß sie das tun, melden sie mir öfter zurück. An dieser Stelle einen besonderen Dank an jene, die sich die Zeit nehmen und die Mühe machen, mich wissen zu lassen, daß ihnen meine Bücher Freude bereiten und ihnen Geschichte und die Menschen, welche sie erlebten, näherbringen.