Kronberg im Taunus – Burg Kronberg
Die pittoreske und wundervoll erhaltene / renovierte Burg Kronberg hat eine interessante Geschichte und ist äußerst sehenswert.
GESCHICHTLICHESWALLENFELSDEUTSCHLANDKRONBERG
Nachdem ich in meinem ersten Artikel über Kronberg die vielfältige Kulinarik betrachtet habe, möchte ich Sie jetzt mit zu unserer prächtigen Burg nehmen. Für diese hatte ich bereits eine Schwäche, als ich nur wenig von ihrer Geschichte wußte, es ist einfach eine wunderschöne Anlage, die schon von weitem grüßt, eine unverkennbare Silhouette hat und für eine Burg fast zierlich wirkt. Durch mein allgemeines Interesse und später im Rahmen meiner Recherchen für die Wallenfels-Trilogie beschäftigte ich mich dann auch zunehmend mit ihrer Geschichte, die viele spannende Facetten hat. Mittlerweile bin ich ehrenamtlich für genau diese Burg tätig und habe durch die engagierten und bemerkenswert informierten Ehrenamtskollegen in wenigen Monaten unglaublich viel über die Geschichte unserer Burg gelernt. Ich dachte, ich wüßte viel über Geschichte, aber das ist nichts im Vergleich zu jenen, die sich dort seit vielen Jahrzehnten mit der Thematik beschäftigen. Und es gibt reichlich, mit dem man sich beschäftigen kann!
Weit über 800 Jahre geht die Geschichte der Burg Kronberg zurück, wahrscheinlich wurde sie zur Zeit des berühmten Stauferkaisers Barbarossa oder seines Vorgängers Konrad errichtet. Die heute noch vorhandenen Gebäude stammen aus verschiedenen Jahrhunderten, was man schon an ihrem jeweiligen Stil erkennen kann. Wer ins 12. Jahrhundert reisen möchte, kann dies im etwas höher liegenden Gelände der sogenannten Oberburg tun, wo sich Türme aus jener Zeit finden. Für mich ist es immer ein besonderes Erlebnis, in einem Bauwerk aus der Stauferzeit zu stehen. Der sogenannte Freiturm, welcher der Burg und Stadt ihre charakteristische Silhouette verleiht, kann bestiegen werden und das lohnt sich schon wegen des Ausblicks! Etwa hundert bis hundertfünfzig Jahre später wollten die Burgherren etwas komfortabler residieren und fingen an, den Bereich der sogenannten Mittelburg zu bebauen, deren Wohngebäude auch heute noch beeindruckend ins Auge fallen. Der besonders auffällige runde „Prinzenturm“ ist übrigens für Burgverhältnisse brandneu, er stammt aus dem Jahr 1911 und wurde im Rahmen der Renovierung errichtet.
Bis 1704 gehörte die Burg als Lehen den Kronberger Rittern von Cronenberg/Cronberg, dann starben diese aus. In den folgenden fast zwei Jahrhunderten erlebte sie wechselnde Eigentümer. Sie gehörte dem Kurfürstentum Mainz, dann dem Herzogtum Nassau und ab 1866 Preußen, diente als Amtssitz, Schule, Gefängnis, Schreinerei und Stall, beherbergte Wohnungen, wurde von napoleonischen Soldaten besetzt, beschädigt und vernachlässigt. Vielleicht wäre sie zu einer der vielen Burgruinen geworden, welche man heute überall finden kann. Glücklicherweise kam es anders. Das Kapitel Kaiserin Friedrich ist sicherlich eines der erfreulichsten in der Burggeschichte.
Die Hartmuts und die große Zeit der Burg
Doch gehen wir erst einige Jahrhunderte zurück in die Zeit der Ritter von Cronberg. Dieses anfangs kleine Rittergeschlecht wußte erfolgreich zu wirtschaften und zu heiraten. Schon im 14. Jahrhundert hatte die Familie einiges an Einfluss und Vermögen. Im heutigen Wappensaal finden sich an einer Wand die Ahnenwappen von Hartmut XIII. von Cronberg (1517 – 1591) und seiner Ehefrau Barbara von Sickingen (1519 – 1567). Sie zeigen die Vernetzung der von Cronbergs mit zahlreichen namhaften Adelsfamilien auf. Auch das Bündnis- und Machtspiel beherrschten sie, was ihnen nicht nur zu einflussreichen Posten, sondern 1389 auch zu einem Schlachtensieg gegen Frankfurt half (wie in meinem ersten Kronberg-Artikel geschildert) und ihnen so ein immenses Lösegeld einbrachte.
Frank XII. von Cronberg, der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts lebte, war ein so gewiefter Geschäftsmann, daß er sein bereits beträchtliches Erbe in großem Umfang vermehrte, umfangreiche Ländereien besaß und den Beinamen „Frank der Reiche“ erhielt. In der Broschüre „Cronberg – Geschichte eines Rittergeschlechts und seiner Burg“ von M. Müller-Hillebrand heißt es: „Seine Landkäufe führten dazu, daß Frankfurt sich von einem Gürtel cronbergischer Besitzungen von Süden und Norden bedroht sah.“
Ritterfiguren im Prinzengarten beim alljährlichen Erdbeerfest
Ein Angehöriger der Familie, dessen Spuren man in Kronberg an mehreren Stellen begegnet, ist Hartmut XII. (1488 – 1549), der die turbulenten Zeiten der Reformation erlebte, Martin Luther persönlich kannte und sich sehr für die Gedanken der Reformation einsetzte. Müller-Hillebrand schreibt es in „Cronberg“ recht poetisch: „Hartmut war von hohen Idealen und zugleich einer so kindlichen Gläubigkeit erfüllt, daß er sich mit den Verirrungen der damaligen Zeit nicht abzufinden vermochte. Mit Feuereifer rückte er allen Übeln zu Leibe.“ Der Eifer umfasste auch das Schreiben, er äußerte sich in Flugblättern, korrespondierte eifrig, unter anderem mit Luther und schrieb sogar kritisch an den Papst.
Sein Standbild wacht in selbstbewußter Haltung über den Berliner Platz in Kronberg und blickt sinnend hoch zur Burg. Die Namenstafel unter der Statue nennt ihn: „Der Reformator“. Diese in der Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffene Statue schmückte zunächst eine Nische der Villa Schönbusch des Unternehmers Jacques Reiss. Warum steht sie nicht mehr dort? Weil die Villa nicht mehr steht – dort findet sich heute das prächtige Schloßhotel Kronberg, das sich „Kaiserin Friedrich“, die Witwe des preußischen Kaisers Friedrich III. dort als Wohnsitz errichten ließ. Sie hatte die Villa Schönbusch gekauft und abreißen lassen, das Standbild schenkte sie 1889 der Stadt Kronberg. Das Wirken der Kaiserswitwe, Mutter Wilhelms II., in Kronberg ist so vielfältig, daß ich diesem Thema einen eigenen Artikel widmen werde.
Eines der bekanntesten Stücke in der Burg hat Bezug zu Hartmut XII – der Kronberger „Disch“, den Goethe 1818 als „in seiner Art besonders gut und der Aufmerksamkeit aller Freunde des Alterthums und der Kunst würdig“ bezeichnete (und wer mich kennt, weiß, daß es m.E. kaum ein größeres Lob geben kann als eines, das von Goethe ausgesprochen wurde). Was aber ist der Disch? Es handelt sich hier um eine farbenprächtig bemalte riesige Tischplatte, die in der Kronberger Burg an der Wand hängt. In den Mitteilungen III der „Initiative Möbel des Mittelalters“ findet sich ab Seite 10 ein ausführlicher Aufsatz über den Disch, in welchem er auch abgebildet ist. Auf der Burg werden regelmäßig Themenführungen angeboten, während der näher auf das Stück eingegangen wird (z.B. Kostümführung von „Anna von Kronberg“), auch während der regulären Führungen wird ihm Aufmerksamkeit gewidmet. Das Original ist 1549 als Neujahrsgeschenk für Hartmuts Ehefrau Anna entstanden und bildet Hartmut und Anna mit ihren drei Söhnen, deren Ehefrauen und Kindern ab. Wer die Sicht des dort ebenfalls abgebildeten Hofnarren erfahren möchte, dem sei eine weitere Themenführung der Burg empfohlen. In der Burg findet sich heute eine Reproduktion, das Original ging in den Wirren des Zweiten Weltkriegs verloren und wurde durch einen großen Zufall sechzig Jahre nach Kriegsende in Tschechien entdeckt.
Auch ein Gemälde, das einen älteren Hartmut XII. zeigt, ist in der Burg zu sehen und im Frankfurter Städel findet sich die Zeichnung „Ritter Hartmut von Kronberg nimmt von seinen Angehörigen Abschied“, deren Hintergrund die Burg Kronberg zeigt. Auf dem Bild in der Burg blickt Hartmut XII. wehmütig aus einem Fenster auf die Burg – dies hat seinen Grund. 1522 brachte Hartmut die Unterstützung seines Cousins Franz von Sickingen die Feindschaft mehrerer Fürsten, darunter Landgraf Philipp von Hessen, ein. Die Hintergründe sind zu komplex, um sie hier zu erläutern, hängen aber grob gesagt mit der Reformation zusammen. Entscheidend ist, Burg Kronberg wurde von Philipp von Hessen belagert, über Hartmut XII. war die Reichsacht verhängt, er mußte nachts aus der Burg fliehen und mit seiner Familie neunzehn Jahre im Exil verbringen. Erst dann konnte er in sein Stammhaus zurückkehren und die letzten acht Jahre seines Lebens dort verbringen.
Ein Erzbischof und ein Schurke
Während für Hartmut XII. die Abwesenheit von der Burg noch ein unfreiwilliges Exil darstellte, zog es die nachfolgenden Generationen ganz von selbst in andere Gefilde. Hartmuts Enkel Johann Schweikhard von Cronberg schlug die für jüngere Söhne üblicherweise vorgesehene – und ansehensfördernde – geistliche Laufbahn ein und brachte es zum Erzbischof von Mainz. Auch er ist im oben genannten Wappensaal besonders verewigt. Ein bekannteres Monument findet sich in Aschaffenburg. Das Wahrzeichen der Stadt, Schloss Johannisburg, wurde in seinem Auftrag als zweite Residenz der Mainzer Erzbischöfe erbaut. An der dortigen Wappenmauer befindet sich sogar ornamental und beeindruckend das Kronberger Wappen. Dieses Schloss ist wahrscheinlich eines der Zieles jedes Aschaffenburg-Besuchers, während eher wenigen auffallen wird, daß es in dieser Stadt sogar ein Kronberg-Gymnasium gibt, an dessen Eingang sich ebenfalls das Kronberger Wappen befindet. Dieses Gymnasium existiert seit 1620 – wenn auch mittlerweile in einem neuen Gebäude, da das alte Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.
So schön das Aschaffenburg Schloss ist – es ist leider mit Blut befleckt, denn ein Teil des Geldes für seinen Bau stammte aus einer unter Johann Schweikhard fast beispiellos grausamen und intensiven Serie von Hexenprozessen. Das Vermögen der so im Namen eines abscheulichen Wahns Ermordeten wurde eingezogen. Zitat aus „Cronberg“ zu Johann Schweikhard: „Äußerlich von verbindlichem Wesen, verstand er es jedoch, seine Ziele mit Hartnäckigkeit und, wo es sein mußte, mit Rücksichtslosigkeit zu verfolgen.“
Klingt dieser schon nicht unbedingt wie ein erfreulicher Mensch, so scheint sein Großneffe Kraft Adolf Otto (1629 – 1692) das zu sein, was man im Englischen „a nasty piece of work“ nennt. M. Müller-Hildebrand nennt ihn „übelentarteter Sproß der alten Familie“ und erwähnt: „In Cronberg scheute der junge Reichsgraf nicht vor brutaler Mißhandlung seiner Untertanen zurück. Die Archive enthalten über ihn Beschwerden, Prozeßakten und Streitigkeiten.“ Auch andere Quellen bestätigen diesen Eindruck. Kraft Adolf Otto scheint mit seinem Umfeld hauptsächlich durch Streit, Gewalt und Gerichtsprozesse interagiert zu haben. Seine erste Ehefrau wurde von ihm so misshandelt, dass sie flüchtete, nach Asyl suchte und sich scheiden ließ, nachdem sogar der Verdacht bestand, Kraft Adolf Otto hätte versucht, sie durch Gift aus dem Weg zu räumen.
Verlassen und verfallend
Der wachsende Ruhm der Familie von Cronberg war für ihre eigentliche Heimatstadt nicht uneingeschränkt wohltuend. Viele Mitglieder der Familie fanden zunehmend Ämter außerhalb des Städtchens und legten sich zudem Besitzungen in verschiedenen Gegenden zu, die sie ebenfalls regierten. Die Burg Kronberg wurde schon im 17. Jahrhundert nur noch wenig genutzt und begann zu verfallen. In Wolfgang Ronners Artikel „Die Burg Kronberg – Ein Sorgenkind von alters her!“ im Kronberger Burgboten von 2001 steht: „Schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts ermahnte Hartmut von Kronberg seine Söhne eindringlich, den Familienstammsitz, die Burg, nicht zu vernachlässigen. (…) Genutzt hat sein Appell wenig, denn die Burganlage verfiel weiterhin.“
Der letzte männliche von Cronberg war Johann Nicolaus, der weder in Kronberg geboren wurde, noch dort lebte. Johann Nicolaus hatte viele positive Eigenschaften, er war nicht nur großzügig und fromm, sondern auch äußerst gebildet. Klingt nach einem traumhaften Ehemann, nur leider hatte er einen erheblichen Nachteil: der allgemein eher Menschenscheue wollte nicht heiraten. Die Kronberger betrachteten dies mit Sorge, denn nach dem Aussterben der Familie würde die – mittlerweile evangelische – Stadt an das katholische Kurmainz fallen und das wollte man nicht. Man versuchte sogar noch, für den über sechzigjährigen Johann Nicolaus eine Ehe zu arrangieren, was aber an seinem Unwillen zur Heirat scheiterte. Er starb 1704 und mit ihm starb das Haus von Cronberg.
Wie von den Kronbergern befürchtet, fielen Stadt und Burg an Kurmainz und es ging religiös nicht unbedingt friedlich zu – einige Kronberger Bürger reichten sogar wegen „Religions-Drangsalen“ Klage gegen Mainz ein.
Die Burg wurde, wie schon erwähnt, zu einer Art Allzweckgebäude und nicht unbedingt schonend behandelt. Das berühmte Gemälde der Schlacht bei Eschborn, in der Kronberg 1389 gegen Frankfurt siegte, zeugt heute noch davon: dort finden sich zahlreiche kleine Male … Spuren der Erbsen, die einige der Bewohner jener Zeit darauf getrocknet hatten. Gemälde und Zeichnungen aus dem 19. Jahrhundert (von denen viele heute in der Burg zu sehen sind) zeigen eine sehenswerte Anlage, deren bröckelnde Mauern und Türme aber nicht verhehlen können, daß sie sich auf dem Weg zur Burgruine befand.
"Die Burg ist verfallen, aber auf ihre Art recht malerisch."
Der Wahrheit Flamme
Es gibt ein 1813 erschienenes Buch, das den Taunus mit reichlich Pathos und Enthusiasmus auf etwa zweihundert (!) Seiten besingt: „Die Heilquellen Am Taunus: Ein didactisches Gedicht in vier Gesängen“ von Gerning. Dort heißt es über die Burg:
Teile der Befestigungsanlagen mußten aus Sicherheitsgründen abgebrochen und, wie im Zitat erwähnt, andere Teile der Burg abgesperrt werden. Gebäude und Mauern wurden inoffiziell als Steinbruch für Häuser in der Stadt genutzt – noch heute kann man in manch altem Gebäude einzelne Steine entdecken, die aus der Burg stammen. Andere Teile wurden immer wieder notdürftig repariert, denn gleichgültig war die Burg den Kronbergern keineswegs. Der im Zitat aus „Der Wahrheit Flamme“ erwähnte Turm ist ein Wahrzeichen Kronbergs. Ich habe auf meinem Auto einen Aufkleber, der eine feingezeichnete Silhouette der Kronberger „Skyline“ zeigt (so wie sie auch hier zu sehen ist) und der Turm ist der markanteste Teil. Dr. Christine Jung faßt in ihrem Artikel „Halb Ruine, halb ein noch ziemlich wohlerhaltenes Schloß“ im Kronberger Burgboten von 2001 gelungen zusammen: „Denn der hoch aufragende Freiturm galt nicht nur als das weithin sichtbare Wahrzeichen des Ortes, das mit seinen rund 40 Meter Höhe das Kronberger Stadtbild beherrscht. Er besaß auch als Wach- und Aussichtsturm eine wichtige schützende Funktion. Hier lebten und wachten vermutlich bereits die ersten Kronberger Ritter, hier saßen die Gefangenen im tiefgelegenen Burgverließ [sic], und hier wohnte der Turmwächter mit seiner Familie, der noch bis in das 19. Jahrhundert hinein Feuer und Feinde meldete, jede Stunde die Glocke läutete und gegen Abend in das Horn stieß. Erst als die Türmerstelle 1817 aufgegeben und der letzte Türmer 1839 gestorben war, diente der Bergfried sowohl als Aussichtsturm wie auch als Wohnung.“
Kaiserin Friedrich zur Rettung
Letztlich aber war ein umfangreiche Instandsetzung und –haltung teuer und so blickte die Burg einem unsicheren Schicksal entgegen. Man wollte baufällige Gebäude nicht abreißen, aber es fehlten die Mittel, alles in einen sicheren und stabilen Zustand zu versetzen.
Die Rettung kam in Gestalt einer kleinen verwitweten Engländerin: Kaiserin Friedrich, Tochter Queen Victorias, Witwe Friedrichs III. und Mutter Wilhelms II. Dieser hatte sie nach dem Tod ihres Mannes aus ihrem Wohnsitz in Berlin vertreiben lassen, die Mutter-Sohn-Beziehung war keineswegs harmonisch, aber wir Kronberger (und alle anderen, welche die Burg zu würdigen wissen) können Wilhelm dankbar sein, daß er seiner Mutter die Burg Kronberg 1891 zu Weihnachten schenkte. Wie kam diese Burg überhaupt in Hohenzollern-Hände? Das Kurfürstentum Mainz existierte nicht mehr, eine Folge der Napoleonischen Kriege. Kronberg ging mit anderen rechtsrheinischen ehemaligen Besitztümern an Nassau-Usingen, später Herzogtum Nassau – eines der vielen kleinen Länder, welches ebenso wie die Freie Stadt Frankfurt 1866 nach dem Krieg von Preußen geschluckt wurde (die Geschehnisse und Folgen dieses Krieges sind gerade im Hinblick auf Frankfurt in „Der Wahrheit Flamme“ ausführlich beschrieben. Nassau reagierte auf seine Annektierung allerdings williger als das von Preußen so gedemütigte Frankfurt).
„Stolz den Trümmern entragt die Zierde der Gegend, das Burgschloß (…) dicht an des Altking Fuß, da schweben in schauriger Nacht oft drohende Geister des Bergs um die verödete Burg. Ritterlich ausgeziert sind noch verfallene Gemächer, und der verklungene Ruhm hat sich im Bilde bewahrt; aber verwaist und leer, ach!, steht es, ein trauriger Denkstein jener Größe, die doch nur das Vergängliche schafft“ und „Trauernd entsteigt sie dort, die alte verödete Veste, Flammen umwütheten sie, Donner zersprengten sie dann! Schweigt o Trümmer der Zeit!“
In „Der Wahrheit Flamme“ bietet sich dieses Bild:
"Sie bogen um eine Kurve und durchquerten kurz darauf das Eingangsportal zur Burg. Man sah dieser noch an, dass sie einst beeindruckend und doch von einer gewissen Eleganz gewesen sein musste. Nun starrten leere Fensterhöhlen auf sie hinunter, Unkraut wuchs zwischen den Pflastersteinen, einige Mauern schienen vor sich hin zu bröckeln. Ein Bereich war abgesperrt. Der schlanke, für Cronberg so charakteristische Turm erhob sich über der Anlage. Idyllische Melancholie umhüllte die Burg."
Somit gehörten auch Kronberg und seine Burg zu Preußen und Wilhelm II. konnte seiner Mutter dieses Geschenk machen und mußte sich nicht mehr mit Kosten und Sanierung des historischen Bauwerks befassen. Kaiserin Friedrich, die ohnehin an der Burg interessiert war und bereits mit einigen ersten Maßnahmen begonnen hatte, konnte richtig tätig werden – und das tat sie auch mit Hingabe und Sorgfalt. M. Müller-Hillebrand formuliert es so: „In den folgenden 10 Jahren bildete die Instandsetzung der gesamten Burg, besonders des verfallenen Kronenstammhauses, die Restaurierung der Kapelle und der Stadtkirche und auch die Erforschung der Geschichte der einstigen Herren von Cronberg eine Lieblingsbeschäftigung der Kaiserin.“
Sie beauftragte den aus Homburg (heute Bad Homburg) stammenden und dort eifrig wirkenden Architekten Louis Jacobi mit den Arbeiten. Seine Spuren sieht man in Bad Homburg auch – aber bei weitem nicht nur! – am dortigen Schloss, dem monumentalen Kaiser-Wilhelms-Bad im Kurpark und vor allem an der Saalburg. Er sollte die Burg Kronberg so wiederherstellen, wie sie Anfang des 17. Jahrhunderts ausgesehen hatte. In einem Raum der heutigen Burg kann man lebensgroße Bilder der Kaiserinwitwe im Gespräch mit Jacobi sehen, vertieft in die Planung. Kaiserin Friedrich beschränkte sich aber keineswegs darauf, Anweisungen zu geben. Sie recherchierte selbst und kaufte einen umfangreichen Fundus an Gegenständen zusammen, von denen heute noch viele in der Burg gezeigt werden.
Einen historischen Stilbruch erlaubte sich die Kaiserin – dies aber absichtlich und zur Veranschaulichung. Wer Bilder der Burg Kronberg vor der Renovierung betrachtet, wird einen offenen Zugang zum Burghof sehen. Heute erhebt sich dort ein Wehrgang. Auch im Inneren ist die Raumaufteilung teils anders als früher, es finden sich einige Änderungen, doch bekommt man insgesamt einen authentischen Eindruck der Burg aus früheren Jahrhunderten.
Und heute?
Man kann bei einem Gang über das Burggelände durch so viele historische Epochen wandern, daß es ein wahres Vergnügen ist. Während die Kapelle wie beschrieben eher unfreiwillig an den Luftangriff des Zweiten Weltkriegs erinnert, wird sowohl bei den Burgtouren wie auch bei den Veranstaltungen gerne an die verschiedenen Schwerpunkte angeknüpft, so finden natürlich die Ritter immer Beachtung. In einem Raum kann man sich über Rüstungen und Schlachtentechnik informieren und gleichzeitig durch die erwähnten Erbsenabdrücke des Schlachtengemäldes einen gedanklichen Abstecher ins 19. Jahrhundert machen. Über die Kaiserin Friedrich und ihr engagiertes Wirken gibt es zahlreiche Informationen, auch einige Veranstaltungen gedenken ihrer, während ein Schulzimmer daran erinnert, welch vielfältigen Nutzungen die Burg in ihrer langen Bestehenszeit unterworfen war. In der Oberburg erinnern Stelen an Barbarossa und andere für die Burggeschichte wichtigen Persönlichkeiten. Einer meiner Lieblingsorte ist der Prinzengarten mit seinen herrlichen Rosenbüschen. In eine Richtung blickt man direkt auf die Kapelle; wenn man sich ein wenig dreht, grüßt das 12. Jahrhundert mit dem Freiturm, bevor eine weitere leichte Drehung mit dem Prinzenturm an die Renovierungen erinnert und sich dann das prächtige Wohnhaus vor einem erhebt und an die großen Zeiten erinnert. Gegenüber schaut man dann über Kronberg und sieht bei gutem Wetter die hochmoderne Skyline der Stadt Frankfurt. Acht Jahrhunderte in einer Umdrehung, das gibt es nicht an vielen Orten.
Leider erlebte Kaiserin Friedrich die Fertigstellung ihres Werks nicht mehr. Sie starb 1901 an Krebs – in ihrem Sommersitz, dem heutigen Schloßhotel Kronberg. Die Arbeiten dauerten noch über zehn Jahre an, unter der Regie ihrer jüngsten Tochter Margarethe, die einen Prinzen von Hessen geheiratet hatte – so kam die Burg in den Besitz der Familie von Hessen. 1912 wurde die Burg zum Museum und das ist sie – mit geschichtsbedingten Unterbrechungen – bis heute.
Eine dieser geschichtlichen Einwirkungen fällt aufmerksamen Betrachtern bei einem Blick auf die – in Privatbesitz der Familie von Hessen befindliche und nicht zugängliche – Kapelle ins Auge. Im Herbst 1943 fand ein Luftangriff auf Kronberg statt; eine Folge unerwarteter Komplikationen beim Angriff auf Frankfurt, bei dem die noch an Bord der Flieger befindlichen Bomben einfach in der Umgebung abgeworfen wurden, wie hier gut beschrieben wird. Die Kapelle der Burg erlitt durch die Bomben starke Beschädigungen und wurde nach dem Krieg nur teilweise wieder überdacht. So entstand der heutige Anblick eines „halben Gebäudes“.